Coworking-Spaces in China: Eine Gemeinschaft mit einer Milliarde Kollegen

China entdeckt eine neue Form des Arbeitens.

China hat Erfahrung darin, die etablierte Ordnung über den Haufen zu werfen. Durch seine gigantischen Infrastruktur-Investitionsprogramme ist das Land zum weltgrössten Rohstoffkonsumenten aufgestiegen.

Und seine stetig wachsende Mittelschicht hat einen noch nie da gewesenen Boom im weltweiten Einzelhandels- und Freizeitsektor befeuert.

Nun macht sich China daran, die Arbeitswelt auf den Kopf zu stellen. Seine Städte – und die in anderen Teilen Asiens – sind zu einer der treibenden Kräfte hinter der Coworking-Revolution geworden und könnten schon bald nur so wimmeln vor flexiblen Büroräumen, wie sie einst in den USA von Unternehmen wie WeWork entwickelt wurden.

Diese neue Generation von Büro bietet seinen Nutzern nicht nur einen Schreibtisch und Internetzugang, sondern eine ganze Reihe neuer Leistungen wie etwa zubuchbare Konferenzräume mit ergonomischen Stühlen, Venture-Capital-Ressourcen, einen Empfangsservice und Weiterbildungsangebote – und das in einigen der nachhaltigsten Gebäude der Welt.

Asien ist bereits jetzt der weltweit am schnellsten wachsende Markt für flexible Büroräume.

Allein in Peking werden flexible Arbeitsplätze nach Schätzungen des Immobilienberatungsunternehmens Colliers International bis 2030 rund 30 Prozent des gesamten Büromarkts ausmachen – aktuell sind es gerade einmal 2,3 Prozent.

Im Zentrum der Bürorevolution in Asien steht naked Hub aus Schanghai. Das Unternehmen profitiert massgeblich von der Erfahrung seines Vorsitzenden Jonathan Seliger, der in der Vergangenheit für Luxushändler wie Camus, eine französische Cognac-Brennerei, das Schweizer Unternehmen Richemont und Coach aus den USA tätig war.

„WeWork war für uns definitiv ein Vorbild – wir waren unglaublich beeindruckt von seiner Arbeit und der Atmosphäre in New York. Ein bisschen davon wollten wir auch nach China holen, allerdings in einer stärker lokal orientierten, authentischeren Form“, erklärt Seliger, der ursprünglich aus Philadelphia stammt.

2015 vom chinesischen Luxusresort-Betreiber naked Group gegründet, wurde naked Hub 2018 von WeWork übernommen.

Naked Hub, das an 46 Standorten in ganz China und in anderen asiatischen Städten aktiv ist, bietet zudem auch Services an, durch die eine Gemeinschaft aufgebaut werden soll, und zwar online wie offline.

So können Mitglieder beispielsweise über die App des Unternehmens um Hilfe bitten – etwa bei der Anmeldung eines Unternehmens oder bei der Suche nach Mitgründern mit Marketing-Hintergrund – was letztlich zu Geschäftsbeziehungen mit anderen Mitgliedern führen kann.

„Bei Tausenden von Mitgliedern aus so vielen verschiedenen Bereichen findet sich immer jemand, der antwortet... Dank unserer Technologie werden 60 Prozent der geschäftlichen Anfragen, die von Mitgliedern der Community gestellt werden, von anderen Mitgliedern auch tatsächlich bedient“, so Seliger.

„Wir sind wirklich überzeugt von unserem Konzept, authentische Gemeinschaften zu schaffen, möglich zu machen und zu fördern, und zwar in jeder Stadt, in der wir aktiv sind. Gleichzeitig lassen wir den Community-Teams viel Freiraum bei der Ermittlung des Bedarfs der lokalen Mitglieder – anders als Konkurrenzunternehmen, die auf ein einheitliches Community-Modell setzen... Wir interagieren sowohl über unsere Online-Technologie und als auch über die Offline-Community mit unseren Mitgliedern und binden sie so an uns.“

Das Coworking hat China im Sturm erobert.

Laut dem Immobilienberatungsunternehmen Jones Lang LaSalle ist die Zahl der Coworking-Spaces in Schanghai und Peking 2017 im Vergleich zum Vorjahr um sagenhafte 50 Prozent gestiegen.

Die Unterstützung der Zentralregierung für neue Branchen und innovative Geschäftsideen wird das Wachstum künftig wohl weiter befeuern.

Viele Anbieter integrieren auch Nachhaltigkeit in ihr Konzept, um sich für die neue Generation von Büroarbeitern attraktiver zu machen. So will WeWork beispielsweise bis 2023 vollständig CO2-neutral sein, serviert bei seinen Veranstaltungen kein Fleisch mehr und bezahlt auch für seine Mitarbeiter keine Mahlzeiten, die Geflügel, Schwein oder anderes rotes Fleisch enthalten.

Naked Hubs Ziel wiederum ist es, mit jedem seiner neuen Gebäude die Umweltstandards des Rating-Systems Leadership in Energy and Environmental Design (LEED) zu erfüllen, einer international anerkannten Zertifizierung für nachhaltiges Bauen. 

Ein Bericht von Colliers zeigt, dass flexible Arbeitsplätze im Vergleich zu traditionellen Büroräumen zu einer Senkung der Immobilienkosten um durchschnittlich 25 Prozent führen können und ein dynamischeres Umfeld schaffen, das die Mitarbeiterbindung erhöht und den Zugang zu qualifizierten Fachkräften und potenziellen Geschäftspartnern verbessert.

„Immobilienentwicklern und -eigentümern weltweit wird gerade klar, dass sie gemeinschaftlich genutzte Räumlichkeiten in ihrem Portfolio haben müssen. Und die gemeinschaftliche Nutzung ist bezahlbar: Sie ist günstiger und auch besser“, meint Seliger.

„Coworking ist ein wahres Erdbeben für eine der ältesten und grössten Branchen des Planeten. Mit Geschäftsimmobilien werden jedes Jahr Transaktionen in der Grössenordnung von 10–15 Billionen USD abgewickelt. Selbst wenn nur 3 Prozent zu flexiblen Konzepten wechseln würden, wäre das ein riesiges Potenzial.“