Warum Energieeffizienz der sicherste Weg ist, die Erderwärmung aufzuhalten

Wenn es um Umweltschutz geht, ist die effizientere Nutzung von Energie mindestens genauso wichtig wie die Förderung erneuerbarer Energien, sagt IEA-Analystin Laura Cozzi.

Laura Cozzi hasst Energieverschwendung.

Deshalb überwacht und minimiert sie den Stromverbrauch in ihrer Pariser Wohnung peinlich genau mithilfe einer Smartphone-App und einem vernetzten Thermostat.

Das mag vielleicht wie eine unbedeutende Massnahme erscheinen, doch wenn es um Energieeffizienz geht, so Cozzi, machen die kleinen Dinge manchmal den grossen Unterschied. Und sie sollte es wissen.

Denn der Kampf für Effizienzsteigerungen ist ihr täglich Brot: Cozzi ist Chef-Analystin bei der Internationalen Energieagentur, der Instanz, die in Sachen Energieverbrauch weltweit den Ton angibt.

Dort leitet sie eine Arbeitsgruppe, die Modelle für den Klimawandel entwickelt und Energieszenarien durchspielt – Analysen, die Regierungen und Unternehmen rund um den Globus bei ihren Entscheidungen unterstützen.

Cozzis Team spielt beim weltweiten Wandel hin zu einem nachhaltigeren Energiemix eine besonders wichtige Rolle, denn mit Energieeffizienz lässt sich viel mehr erreichen als mit dem Bau von Windparks oder Solaranlagen.

Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass durch die effiziente Nutzung von Energie bei alltäglichen Aufgaben wie dem Heizen einer Wohnung, dem Beleuchten eines Büros oder der Herstellung von Gütern in einem Betrieb Schätzungen zufolge genügend Energie eingespart wurde, um den Energiebedarf Japans, der drittgrössten Volkswirtschaft der Welt, ein ganzes Jahr lang zu decken.

Mit einem Anteil von 60 Prozent am gesamten CO2-Ausstoss ist die Energieerzeugung die grösste Quelle von Treibhausgasen. Und dennoch findet das Thema Energieeffizienz in der Diskussion um die Frage, wie die Erderwärmung gestoppt werden kann, nicht annähernd genügend Beachtung, sagt Cozzi.

„Wir nennen Energieeffizienz den Treibstoff Nr. 1, denn sie steht allen Ländern als nutzbare Energieressource zur Verfügung. Sie ist ein Instrument, mit dem sich viele politische und wirtschaftliche Ziele erreichen lassen. Sie ist ein Mittel zur Reduktion der Treibhausgasemissionen“, erzählt sie mega.

Die Energieeffizienz zu steigern, bedeutet grob gesagt, mit weniger Energie das gleiche Ergebnis zu erreichen. Dabei spielen häufig energiesparende Technologien eine Rolle, die überschüssige Energie „erzeugen“, die dann wiederum für andere Zwecke genutzt werden kann. Durch ihren Einsatz können enorme Energieeinsparungen erzielt werden.

Durch die effiziente Nutzung von Energie bei alltäglichen Aufgaben konnten 2015 laut Schätzungen der IEA rund 450 Millionen Tonnen Öläquivalent eingespart werden. Dadurch wurden auch die weltweiten Energiekosten im gleichen Jahr um mindestens 500 Milliarden USD gesenkt.

LEDs: eine blendende Idee

Ein Bereich, in dem Energieeffizienz bereits enorme Wirkung entfaltet, ist die Beleuchtung.

Dank einer strengeren Regulierung einerseits und stark fallender Preise von Energiesparlampen andererseits sind umweltfreundliche Beleuchtungslösungen heute in Haushalten, Büros und Betrieben rund um den Globus zunehmend allgegenwärtig.

Rund 63 Prozent der zur Beleuchtung genutzten Energie unterlag 2015 verbindlichen Energieeffizienzstandards – 2000 waren es noch lediglich 2 Prozent. Gleichzeitig sind die Preise von LEDs zwischen 2010 und 2016 um 80 Prozent gefallen, was ihre Verbreitung massgeblich vorangebracht hat.

Die erzielten Energieeinsparungen sind bemerkenswert.  Allein zwischen 2010 und 2015 wurden durch den Einsatz von LEDs mehr als 120 Terawattstunden Strom gespart. Dies entspricht mehr als der Hälfte dessen, was der Bundesstaat Kalifornien jedes Jahr an Energie erzeugt.

„Die Technologie wird immer günstiger. Mit 80 Prozent niedrigeren LED-Preisen sieht das wirtschaftliche Szenario völlig anders aus“, so Cozzi.

Geschäftlich eine klare Sache

Und es gibt keinen Grund, warum sich der Siegeszug der LED nicht mit anderen energieeffizienten Gebäudetechnologien wiederholen lassen sollte. Produkte wie intelligente Wärmedämmungen und Fenster, Heizungs- und Klimatechnik und Steuerungssysteme bieten laut der IEA ein ähnlich hohes Einsparpotenzial wie energiesparende Lampen.

Aus einer aktuellen Studie der US-amerikanischen Environmental Protection Agency geht hervor, dass Verbraucher, die programmierbare Thermostate nutzen, wie Cozzi sie zu Hause installiert hat, ihren Energieverbrauch um bis zu 30 Prozent senken. Laut Nest, dem Hersteller intelligenter Thermostate und Tochterunternehmen von Google, haben dessen Kunden in den vergangenen sechs Jahren mehr als 1,4 Milliarden Kilowattstunden Energie eingespart – genug, um mehr als 135.000 US-Haushalte ein Jahr lang mit Strom zu versorgen.

„Aus Verbrauchersicht ändert sich nichts an den eigenen Gewohnheiten. Und dennoch haben solche Technologien unmittelbare Auswirkungen auf den Energieverbrauch“, sagt Cozzi. „Wirtschaftlich betrachtet ist das eine klare Sache, denn für die Verbraucher bedeutet das spürbare Einsparungen und eine entsprechende Senkung des Energieverbrauchs.“

Um einen Haushalt oder einen Betrieb energieeffizient zu machen, sind zunächst einmal natürlich oft Investitionen nötig: Privatpersonen müssen intelligente Thermostate anschaffen und Hersteller in effizientere Anlagen investieren.

Dank neuer Technologien sinken diese Kosten jedoch, und zwar so stark, dass sich die Investition manchmal bereits innerhalb weniger Jahre rechnet.

Nest wirbt beispielsweise damit, dass sich die Anschaffungskosten seines Thermostats in weniger als zwei Jahren durch Einsparungen bei Heizung und Klimatisierung amortisieren.

Auf den Strassen

Aber Energieeffizienz spart nicht nur Kosten – sie trägt auch zur Beschleunigung der weltweiten Energiewende und einer saubereren Zukunft bei.

So ist zum Beispiel in den USA zu beobachten, dass überall dort, wo Massnahmen zur Energieeffizienz Vorschrift wurden, typischerweise auch die Nutzung alternativer Energiequellen und die Abkehr von fossilen Brennstoffen gefördert wurden.

Am offensichtlichsten ist der Zusammenhang zwischen Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien wohl im Verkehr, wo Spritschlucker zunehmend von effizienteren Fahrzeugen verdrängt werden.

Von der Gesamtsumme, die 2015 im Verkehrssektor in energieeffiziente Technologien investiert wurde, wanderte ein Viertel  – 64 Milliarden USD – hauptsächlich in den Kleintransporter-Bereich, der einer der Hauptverursacher von CO2-Emissionen ist.

Der Grossteil dieser Investitionssumme kam vor allem drei Bereichen zugute:  der Verbesserung der Aerodynamik, der Entwicklung leichterer Reifen mit geringerem Rollwiderstand und der Einführung von Elektrofahrzeugen.

Elektroautos bieten vielleicht die grössten ökologischen Vorteile, denn Elektromotoren sind etwa dreimal effizienter als benzinbetriebene Motoren.

Cozzi und ihre Kollegen bei der IEA betonen zudem, dass der für Elektromotoren benötigte Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden kann, was sie sogar noch umweltfreundlicher macht.

Da sich Elektroautos sowohl bei Unternehmen als auch bei Privatkunden immer grösserer Beliebtheit erfreuen – der Umsatz ist 2015 um 70 Prozent gestiegen, womit mehr als eine Million solcher Fahrzeuge auf den Strassen unterwegs waren – ist das Einsparpotenzial enorm.

2016 erreichte die Zahl der Elektroautos im Verkehr die Marke von 2 Millionen. Nach Angaben der IEA werden die 2015 verkauften Elektrofahrzeuge – mehr als eine halbe Million – im Laufe ihres Lebens mehr als 33 Millionen Fässer Rohöl einsparen. Das mag unbedeutend erscheinen, wenn man bedenkt, dass dies weniger als 0,01 Prozent der gesamten Rohölnachfrage ausmacht. Doch die Zahl könnte rasch steigen, wenn sich das Wachstum bei den Elektrofahrzeugen mit dem aktuellen Tempo fortsetzt.

In den Betrieben

Elektromotoren anderer Art verhelfen auch der Industrie zu höherer Energieeffizienz.

Jeder Betrieb in jedem Teil der Erde nutzt in irgendeiner Form Elektromotoren – sei es für Kompressoren, Fliessbänder oder Pumpen. Sie sind so allgegenwärtig, dass fast 70 Prozent des gesamten Energieverbrauchs im produzierenden Gewerbe auf sie entfallen.

Wenn es gelänge, diese Geräte effizienter zu gestalten, so die IEA, wären die Energieeinsparungen schon sehr bald spürbar.

Herkömmliche Motoren laufen meist durchgängig bei voller Drehzahl, was zu erheblichen Energieverlusten führt. Durch die Einführung neuer Vorschriften sind Betriebe nun aber angehalten, diese Geräte durch neue zu ersetzen, die mit variablen Drehzahlen arbeiten. Motoren mit regulierbarer Drehzahl reduzieren den Stromverbrauch und können 90 Prozent des Stroms, mit dem sie betrieben werden, in mechanische Energie umwandeln.

Zwar wird der Austausch bestehender Motoren wohl einige Zeit in Anspruch nehmen, in den kommenden Jahren könnte er jedoch zu zusätzlichen Effizienzsteigerungen und Energieeinsparungen führen.

Wenn man in China nicht energieeffizient arbeitet, kann man nicht wettbewerbsfähig werden.

Experten weisen jedoch darauf hin, dass der Nutzen der Energieeffizienz unter Vorbehalt steht. Hintergrund ist der sogenannte Rebound-Effekt: Demnach wird durch Effizienzsteigerungen eventuell weniger Energie eingespart als gedacht, da die höhere Effizienz gleichzeitig zu einer stärkeren Nutzung verleitet, was die Vorteile zunichtemacht.

Es steht jedoch ausser Frage, dass noch mehr getan werden kann, denn auf globaler Ebene wurde bisher nur ein Drittel der potenziellen Einsparungen durch Energieeffizienz tatsächlich erreicht – manchmal, weil es an Aufklärung mangelt oder den Endverbrauchern das Thema schlicht egal ist.

„Das Verbesserungspotenzial ist enorm“, sagt Cozzi. „Die Gesetzgebung spielt dabei eine grosse Rolle. Entweder müssen die Verbraucher sensibilisiert werden oder es muss Bemühungen geben, die ineffizientesten Technologien vom Markt zu verbannen.“

Cozzi sagt, China treibe die Energieeffizienz ausserordentlich stark voran, wenn auch durch radikale Schritte wie das Schliessen der ineffizientesten Werke im energieintensiven industriellen Sektor. Durch eine effiziente Energienutzung ist es der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt 2014 gelungen, sage und schreibe 1,2 Milliarden Tonnen an Kohlendioxidemissionen einzusparen, was dem Gesamtausstoss Japans entspricht.

„China spielt bereits heute eine sehr grosse Rolle, doch das ist vielen nicht klar. Das Thema wird zunehmend zu einer Frage der Wettbewerbsfähigkeit. Wenn man in China nicht energieeffizient arbeitet, kann man nicht wettbewerbsfähig werden.“

Die Energieeffizienz mag als Treibstoff „unsichtbar“ sein, ihre Auswirkungen auf den Planeten sind jedoch alles andere als das.