Nachhaltigkeit: Warum Unternehmen aktiv werden sollten

Vergessen Sie Idealismus. Damit der Kapitalismus überlebt, müssen wir die Art und Weise revolutionieren, wie wir Geschäfte machen und wie wir Unternehmen bewerten, sagt Peter Bakker, Präsident des World Business Council for Sustainable Development.

Nachhaltige Entwicklung wird die Welt viel schneller verändern, als Sie denken.

Ich bin kein Hippie. Ich bin durch und durch Kapitalist. Einer, der glaubt, dass wir scheitern werden, wenn wir den Weg des Kapitalismus nicht ändern. Das hat nichts mit Idealismus zu tun. Es geht um grundlegende Veränderungen unserer Geschäftspraktiken.

Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben. Mobiltelefone werden in China hergestellt, wo die Lohnkosten niedriger sind. Die Menschen, die die Telefone kaufen, wollen sie am nächsten Tag geliefert bekommen. Um das zu schaffen, sind 163 Tonnen Treibstoff nötig, um einen Jumbojet mit 110 Tonnen iPhones von China nach Europa zu befördern. Es gibt keine Steuer auf Kohlendioxid, also kann die Lieferkette beliebig lang sein.

Aber diese Welt ist nicht nachhaltig. Im Juni hat es zum ersten Mal überhaupt am Nordpol geregnet.  Die Physik lehrt uns, dass sich der Schmelzvorgang beschleunigt, wenn Wasser auf Eis trifft. Wir haben es jetzt also mit einem System zu tun, das sich selbst beschleunigt, und das kann zu ernsten Problemen führen.

Um die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens erfüllen zu können, braucht es massive Veränderungen im Transport, in unserer Ernährungspolitik, in der Organisation unserer Städte – einfach überall.

Wir beim World Business Council arbeiten mit fortschrittlich denkenden Unternehmen zusammen, um die Grenzen des Machbaren auszutesten.  Auch geschäftlich gibt es inzwischen ziemlich gute Gründe, sich als Unternehmen ernsthaft um Nachhaltigkeit zu bemühen. Die meisten Unternehmen würden sicher zustimmen, wenn ich sage, dass man heute ohne eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie keine geeigneten Talente mehr gewinnen kann.

Betrachtet man die Welt durch die Brille der Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN, stösst man auf 60 neue Geschäftsmöglichkeiten – neue Technologien, neue Geschäftsmodelle – die bis 2030 einen wirtschaftlichen Wertzuwachs in Höhe von 12 Billionen USD und 380 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen werden. Investoren sollten sich diese 60 Hotspots genau ansehen und überlegen, wie gut sie in ihren Portfolios repräsentiert sind.

Revolution des Kapitalismus

Die Wirtschaft ist der wirksamste Hebel, um Veränderungen zu bewirken – ganz egal, in welchem Bereich. Es gibt drei Dinge, die wir tun müssen. Erstens: Wir müssen weiter an Innovationen arbeiten. Für neue Lösungen braucht es neue Technologien und neue Geschäftsmodelle.

Zweitens: Wir müssen neue Wege entwickeln, um den Wert von Dingen zu berechnen. Wir müssen unsere Risikoanalysen und unser Risikomanagement so anpassen, dass auch die Risiken des Klimawandels und andere Herausforderungen in puncto Nachhaltigkeit Berücksichtigung finden. Je nachhaltiger ein Unternehmen arbeitet, desto positiver sollte sein Risikoprofil bewertet werden, und die Finanzindustrie sollte dies mit geringeren Kapitalkosten belohnen.

Die dritte Sache, die wir tun müssen – gemeinsam tun müssen – ist, uns von dem rein auf Konkurrenz ausgerichteten Modell zu verabschieden und uns viel stärker auf Kooperation zu konzentrieren.

Ich nenne das manchmal die „Revolution des Kapitalismus“, doch die meisten Menschen finden diesen Begriff etwas angsteinflössend. Dieses Konzept richtet sich nicht gegen den Kapitalismus, ganz und gar nicht. Es geht lediglich darum, bessere Anreize zu schaffen.

Wir beanspruchen unseren Planeten über das Mass, das er verkraften kann.

Schon bald muss sich vielleicht jedes Unternehmen mit dem Szenario beschäftigen, was in einer Welt, in der die globale Temperatur um zwei Grad angestiegen ist, mit seinem Geschäftsmodell passieren wird. Viele Unternehmen werden in einer solchen Welt nicht mehr existieren.

Das sind die Fragen, mit denen sich Unternehmen in Zukunft auseinandersetzen müssen. Weltweit führende Investoren werden beginnen, Fragen zu stellen, die wiederum die Strategien von Unternehmen prägen, zu Innovationen führen und die Welt verändern werden.

Vielleicht haben Sie gemerkt, dass ich kein einziges Mal das T-Wort benutzt habe. Das liegt daran, dass der US-Präsident völlig irrelevant ist. Wenn sich US-Unternehmen an diesem Wandel hin zu einer dekarbonisierten Wirtschaft nicht beteiligen, werden sie sehr bald Geschichte sein. Denn China und – mit etwas Glück – Europa werden den Wandlungsprozess vorantreiben. Dies ist eine Frage der richtigen Positionierung im Wettbewerbsumfeld. Deshalb erfreut sich die „We Are Still In“-Kampagne gegen den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen in den USA derzeit so grosser Beliebtheit.

Wir werden sehr sehr viele unterschiedliche Lösungen erarbeiten müssen, um herauszufinden, welche am tragfähigsten ist. Dazu könnte beispielsweise zählen, Fleisch im Labor zu züchten oder ein Cloud-ähnliches System für die Energieerzeugung zu entwickeln. Menschen, die die notwendigen Veränderungen umsetzen, werden in Zukunft mit niedrigeren Kapitalkosten belohnt werden als jene, die ihren alten kohlschwarzen Gewohnheiten treu bleiben.

Es geht um die Grenzen unseres Planeten. Es geht um Arbeitsplätze. Wir beanspruchen unseren Planeten über das Mass, das er verkraften kann, und ich möchte, dass Sie sich die Frage stellen: Was kann ich dagegen unternehmen?