Aus einer Revolution lernen

In den USA hat Gas die Kohle als wichtigsten Energieträger in der Stromerzeugung abgelöst. Das sollte andere Länder aufhorchen lassen, denn diese Revolution hat die CO2-Emissionen drastisch reduziert.

Wenn über aktuelle technische Fortschritte im Allgemeinen und die Energiewende im Besonderen berichtet wird, ist nur allzu oft – und häufig fälschlicherweise – von einer „Revolution“ die Rede. Doch es gibt Phänomene, die diese Beschreibung tatsächlich verdienen. Zwei prominente Beispiele sind die Rückkehr der USA an die Weltspitze der Kohlenwasserstoff-Förderung und die gleichzeitige Umstellung der amerikanischen Stromerzeugung.

Nach jahrzehntelanger globaler Dominanz fiel die US-Ölproduktion im Jahr 1975 hinter die der Sowjetunion (und 1977 hinter die Saudi-Arabiens) zurück, und 1983 stieg die UdSSR auch zum weltgrössten Erdgasproduzenten auf. Die über Jahrzehnte fallenden Rohöl-Fördermengen Amerikas schürten Ängste vor enormen Aussenhandelsdefiziten. Noch vor 15 Jahren ging man einhellig davon aus, dass im grossen Massstab teure Flüssigerdgas-Importe nötig sein würden.

All dies änderte sich grundlegend, als das Fracking (genauer gesagt die Kombination aus Horizontalbohrung und hydraulischer Frakturierung) auf die Bildfläche trat. 2012 eroberten die USA die weltweite Spitzenposition in der Erdgasförderung von Russland zurück, und 2017 wurden sie auch erneut zum grössten Rohölproduzenten der Welt. Die US Energy Information Administration prognostiziert weitere Steigerungen – beim Rohöl um knapp 10 Prozent zwischen 2018 und 2020 und beim Erdgas um rund 3 Prozent.

Der plötzliche Anstieg der Rohöl-Fördermengen hat die USA erneut zum Ölexportland gemacht. Das im Überfluss vorhandene kostengünstige Erdgas wiederum (das im April 2019 35 Prozent günstiger war als noch im April 2010) hat einer weiteren Energierevolution den Weg geebnet, indem es die Abkehr des Landes von der Kohle in der Stromerzeugung beschleunigt hat.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erzeugten die USA rund 52 Prozent ihres Stroms aus Kohle. Dieser Anteil sank bis 2010 auf 45, bis 2015 auf 33 und bis 2018 auf 27 Prozent. Und 2019 wird das erste Jahr sein, in dem er unter 25 Prozent liegt, während sich der Erdgasanteil gleichzeitig der 37-Prozent-Marke nähert.

coal vs gas

Wie ich erwartet habe, änderte auch die kohlefreundliche Rhetorik von Präsident Donald Trump nichts an diesem grundlegenden Wandel in der Stromerzeugung, der durch unaufhaltsame wirtschaftliche und technische Entwicklungen vorangetrieben wird (und er wird sich fortsetzen, selbst wenn sich der Präsident eine zweite Amtszeit sichern sollte).

Die Umstellung hat bereits hochwillkommene Vorteile für die Umwelt mit sich gebracht. Erdgas setzt pro Energieeinheit deutlich weniger CO2 frei als Kohle. In den USA liegt der Wert bei durchschnittlich 56 Kilogramm pro Gigajoule. Steinkohle kommt dagegen auf 98 kg CO2/GJ und amerikanische Braunkohle auf rund 103 kg CO2/GJ. 

Zudem lassen sich bei der Verbrennung des gasförmigen Brennstoffs in Gas-und-Dampf-Kombikraftwerken heute Wirkungsgrade von bis zu 62 Prozent erzielen, während ein typischer kohlebetriebener Turbogenerator mit Dampfturbine lediglich 38–42 Prozent erreicht. Das bedeutet, dass sich der CO2-Ausstoss pro Einheit elektrischer Energie auf gerade einmal ein Drittel dessen senken lässt, was bei kohlebetriebenen Kraftwerken anfällt. Dieser grosse relative Gewinn hat sich inzwischen in einer beeindruckenden absoluten Senkung der Emissionen niedergeschlagen. 

Die CO2-Emissionen der amerikanischen Stromerzeugung erreichten 2005 ihr Maximum. Bis 2018 waren sie um knapp 30 Prozent gesunken und lagen damit auf dem niedrigsten Stand seit 1987. Neu hinzugekommene klimaneutrale Energiequellen (allen voran neue Windkraftanlagen) waren für 49 Prozent dieser Reduktion verantwortlich. Der Rest ist auf die Umstellung auf andere Brennstoffe zurückzuführen (vor allem auf das boomende Erdgas). 

Zum Vergleich: Im deutschen Energiesektor sank der CO2-Ausstoss zwischen 2005 und 2017 um weniger als 18 Prozent. Die stark subventionierte und kostenintensive Energiewende hat dazu geführt, dass die installierte Leistung im Bereich der erneuerbaren Energien inzwischen höher ist als jene konventioneller Kraftwerke (2019 rund 120 GW gegenüber weniger als 80 GW), doch es ist ihr nicht gelungen, ähnliche CO2-Einsparungen zu erreichen, wie sie durch den Umstieg von Kohle auf Gas in den USA erzielt wurden. 

Die Lektion, die wir daraus lernen sollten, ist eindeutig: Der effektivste erste Schritt auf dem langen Weg hin zu einer klimaneutralen Stromerzeugung besteht darin, die Verbrennung von Kohle in grossen zentralisierten Kraftwerken durch die Nutzung von Erdgas in Gas-und-Dampf-Kombikraftwerken zu ersetzen.