Umweltrecht für eine nachhaltige Welt
Umweltschutz mit Justitias Hilfe
ClientEarth, Europas erste gemeinnützige Kanzlei für Umweltrecht, will nichts Geringeres als den Umgang der Welt mit dem Thema Nachhaltigkeit verändern.

Wenn Sie Umweltschützer James Thornton fragen, was es braucht, um den Planeten zu schützen, wird er Ihnen sagen: „Mehr Anwälte.“ Das ist sicher nicht die Antwort, an die die meisten Menschen denken würden. Allerdings denkt Thornton auch nicht wie die meisten Menschen.
Der bedächtig sprechende Amerikaner – und buddhistische Zen-Priester – ist der personifizierte Schrecken aller Umweltsünder. Mit ClientEarth, einer gemeinnützigen Umweltrechtsorganisation, die er 2001 nach seinem Umzug von den USA nach London gründete, hat er bereits eine beachtliche Reihe gerichtlicher Erfolge gegen Regierungen und Unternehmen in ganz Europa verbuchen können.
Die von ihm errungenen Urteile haben den Umgang mit den Themen Umweltverschmutzung und Umweltschutz auf dem Kontinent verändert, sie tragen zur Erhaltung der Luftqualität, Fischbestände und Wälder bei und erleichtern es Privatpersonen gleichzeitig, in Umweltfragen gerichtlich gegen Behörden und grosse Unternehmen vorzugehen.
„Das Gesetz hat enorme Macht, und diese Macht effektiv zu nutzen, kann für die Umwelt einen grossen Unterschied bedeuten“, erklärt er. „Das Gesetz hilft uns dabei, Regierungen und Unternehmen dazu zu bringen, das Richtige zu tun.“
Ein Sieg für sauberere Luft
Zu Thorntons grössten Leistungen zählt sein letzter gerichtlicher Triumph – die Erringung einer Reihe von Urteilen des High Courts, die die britische Regierung zwingen, ihre Pläne zur Bekämpfung der Luftverschmutzung zu überarbeiten.
In einer wegweisenden Entscheidung im Februar 2018 legten britische Richter die Aufsicht über das Luftreinhaltungsgesetz des Landes in die Hände der Gerichte und entzogen somit den Ministern diese Aufgabe, nachdem sie die gegenwärtige Politik für unrechtmässig befunden hatten.
„Luftverschmutzung ist in Grossbritannien mit 40.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr verbunden, doch noch vor wenigen Jahren war den Menschen das Problem gar nicht wirklich bewusst“, so Thornton. „Dank unserer Hilfe ist es das heute – und besondere Sorge bereitet den Menschen, wie sich die Luftverschmutzung auf die Gesundheit ihrer Kinder auswirkt. Ihnen ist auch bewusst, dass die Regierung mehr tun muss.“
US-Firmen Grenzen aufzeigen
Gelegenheit, an seinen juristischen Fähigkeiten zu feilen, hatte Thornton in den 1980er und 1990er Jahren, als er als Anwalt für Umweltrecht in den USA tätig war. Nach Abschluss seines Jura-Studiums in Yale begann er seine Karriere beim National Resource Defense Council, einer öffentlich finanzierten Umweltschutzorganisation in New York. Dort strengte er auf Bundesebene 80 Verfahren gegen Unternehmen und kommunale Behörden an, die gegen den in den 1970er Jahren von der Nixon-Administration verabschiedeten Clean Water Act verstossen hatten.
Sein nächster Schritt war der Aufbau einer NRDC-Niederlassung in Los Angeles. Dort gelang es ihm, die finanzielle Unterstützung mehrerer Hollywood-Stars zu gewinnen, die Sympathien für die ökologischen Ziele der Organisation hatten. Seinen Erfolg führt er auf eine klar fokussierte Strategie zurück.
„Das Wichtigste ist, beharrlich zu bleiben, sich an den wissenschaftlichen Fakten zu orientieren und so viel Zeit wie möglich darauf zu verwenden sicherzustellen, dass Gesetze nach ihrer Verabschiedung auch tatsächlich umgesetzt werden“, so Thornton. „Es mag merkwürdig erscheinen, aber viele Lobby-Gruppen, die sich für Umweltschutz einsetzen, geben sich zufrieden, sobald Gesetze verabschiedet wurden. Sie konzentrieren sich nicht darauf, ob sie auch wirklich umgesetzt werden, aber genau das ist das Entscheidende.“
Im weiteren Verlauf seiner Karriere stellte er fest, dass die USA nicht das einzige reiche Land waren, in dem Umweltgesetze regelmässig missachtet wurden. In Europa war die Situation noch wesentlich schlimmer. Nicht nur, dass es kaum europäische Anwälte gab, die sich auf Umweltrecht spezialisierten. Für Nichtregierungsorganisationen war es hier auch enorm teuer, Gerichtsverfahren gegen Unternehmen oder Regierungen anzustrengen.
Das bewegte ihn dazu, den USA den Rücken zu kehren und nach London zu gehen. „Wir sahen eine einmalige Chance, das Denken in Europa zu verändern“, erklärt er.
Europa reformieren
Es dauerte nicht lange, bis er sich auch dort einen Namen machte. Gerade einmal vier Jahre nach Gründung von ClientEarth gewann Thornton einen wegweisenden Prozess, der zu Folge hatte, dass Privatpersonen, die in Umweltsachen vor Gericht klagten, im Fall einer Niederlage nicht länger die Kosten der gegnerischen Partei tragen mussten.
Und auch die Bemühungen der Organisation um die Reformierung der schwerfälligen Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) der EU haben Früchte getragen. In einer Kooperation mit dem britischen Fernsehkoch Hugh Fearnley-Whittingstall legte ClientEarth den Grundstein für die Einführung neuer Gesetze, die es Trawlern untersagen, ungewollten Beifang wieder zurück ins Meer zu kippen.
„Der Sieg bei der GFP war eine besondere Genugtuung, denn dort stehen gewaltige Kapitalinteressen auf der anderen Seite, insbesondere in der spanischen Fischereiindustrie“, so Thornton.
Zwar hat ClientEarth einen Grossteil seiner Arbeit in der westlichen Welt geleistet, doch auch in Entwicklungsländern setzen sich seine mehr als 150 Mitarbeiter für die Mitgestaltung des Umweltrechts ein.
In China hat die Organisation auf Einladung des Obersten Gerichts zusammen mit chinesischen Beamten und anderen westlichen Experten über 18 Monate an gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Umweltschutz gearbeitet.
Die von Thorntons Team ausgearbeiteten Empfehlungen – die unter anderem die Entwicklung von Schulungsprogrammen für die 3.000 für Umweltsachen zuständigen Richter in China vorsehen – sind Teil von Pekings 450 Milliarden USD schwerem Fünfjahresplan für den Umweltschutz.
„In manchen Ländern existieren keine gesetzlichen Rahmenbedingungen oder die Gesetze sind nicht gut genug. Aber wenn der Wille da ist, sie zu verbessern, dann können wir sie auch verbessern. China ist dafür ein sehr gutes Beispiel“, meint Thornton. „Es hilft, wenn – wie in China – die Motivation dafür sehr stark von oben kommt und durch grosse Investitionen gestützt wird.“
Problematische Agrarsubventionen
Das nächste Projekt von ClientEarth ist wohl das bisher ambitionierteste: Die Organisation will die so oft kritisierte Gemeinsame Agrarpolitik – das komplexe Netz der EU-Agrarsubventionen – reformieren. Für ihre Gegner ist die GAP das grösste Hindernis auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft und ein Faktor, der zum Verlust natürlicher Lebensräume beiträgt. Ihre wohlwollende Haltung gegenüber der Fleisch- und Zuckerindustrie wird zudem dafür verantwortlich gemacht, dass die Rate der Fettleibigkeit in Europa auf 20 Prozent geklettert ist.
„Die 50 Milliarden EUR an Subventionen, die im Rahmen der GAP jedes Jahr an die Agrarindustrie ausgeschüttet werden, stehen nicht im Einklang mit der Natur. Und sie sind der Hauptgrund dafür, dass die Biodiversität in Europa aktuell mit Füssen getreten wird“, sagt Thornton. „Wenn es uns gelingt, das Programm neu auszurichten, dann sind das 50 Milliarden EUR, die für den Aufbau eines nachhaltigen Systems genutzt werden könnten.“
Zwar steckt das GAP-Projekt noch in den Kinderschuhen – ClientEarth ist noch auf der Suche nach Geldgebern – doch die Entwicklungen in Grossbritannien stimmen Thornton optimistisch.
Die Pläne der britischen Regierung für die Landwirtschaft nach dem Brexit sehen vor, ausschliesslich jenen Produzenten Subventionen zu gewähren, die der Umwelt keinen Schaden zufügen. „Der Teufel steckt natürlich im Detail, aber das Konzept könnte zur Blaupause für das übrige Europa werden“, so Thornton. „Eines ist sicher: Wir werden da sein, um dafür zu sorgen, dass es umgesetzt wird.“
Und Thornton hat allen Grund zur Zuversicht. Denn in seinem bereits 40 Jahre dauernden Kampf für den Schutz der Umwelt hat er noch nie einen Fall verloren.