Elektrofahrzeuge sind gar nicht so umweltfreundlich
Umweltfreundliche Autos brauchen saubere Energie
Elektrofahrzeuge sind nicht immer so umweltfreundlich, wie es gemeinhin angenommen wird, so argumentiert Vaclav Smil. Eine große Rolle spielt die Stromquelle, aus der sie angetrieben werden.

Der Diskussion über Elektrofahrzeuge fehlt es häufig an einer klaren Grundlage. Häufig ist nicht genügend fundiertes historisches, physikalisches oder ökologisches Hintergrundwissen vorhanden, und oftmals fehlt schon der Grundbegriff davon, was ein Elektrofahrzeug (Electronic Vehicle, kurz "EV") eigentlich ausmacht.
Ein Hybridfahrzeug, das in erster Linie durch einen Verbrennungsmotor angetrieben wird, sollte zum Beispiel eindeutig nicht als "elektrisch" eingestuft werden. Dagegen sind Plug-In-Hybridfahrzeuge (PHEV), die hauptsächlich durch einen Elektromotor angetrieben werden und deren Batterie an einer externen Stromquelle aufgeladen werden kann, neben den reinen Elektrofahrzeugen durchaus als Elektroautos anzusehen.
Solche Unterschiede werden von Befürwortern der reinen Elektrofahrzeuge häufig ignoriert. Eine differenzierte Betrachtung ist jedoch notwendig, wenn wir eine übermäßige Vereinfachung der ökologischen Argumentation für oder gegen Elektrofahrzeuge vermeiden wollen.
Beginnen wir also mit etwas Hintergrundwissen. Auch wenn der globale Absatz von Elektrofahrzeugen und Plug-In-Hybridfahrzeugen vor dem Jahresende 2015 die Stückzahl von einer Million überschritten hat, entspricht dies lediglich einem Anteil von 0,1 Prozent an den 1,2 Milliarden Personenkraftfahrzeugen auf unseren Straßen. Im Jahr 2015 machte die Produktion von Elektrofahrzeugen und Plug-In-Hybridfahrzeugen insgesamt nur 0,6 Prozent des gesamten Umsatzes mit leichten Nutzfahrzeugen aus. Realistische Projektionen gehen davon aus, dass dieser Anteil bis 2020 auf nicht mehr als 2 Prozent ansteigen wird. Es bleibt also noch einiges zu tun, bevor die Elektrofahrzeuge den Automobilmarkt beherrschen werden.
Jüngste Prognosen aus den USA rechnen für Elektrofahrzeuge bis 2020 mit einer Marktdurchdringungsrate von 5 bis 10 Prozent. In Anbetracht der Umsätze, die aktuell mit Elektrofahrzeugen und Plug-In-Hybridfahrzeugen erzielt werden, scheint jedoch selbst eine Marktdurchdringungsrate von 3 Prozent bis zum Ende des Jahrzehnts unwahrscheinlich.
Das jüngste Beispiel für überzogene Erwartungen war das Versprechen von Tesla, in naher Zukunft 500.000 erschwingliche Elektrofahrzeuge vom Typ Model 3 auf den Markt zu bringen. Das Unternehmen ist mehrfach an dem Ziel gescheitert, nur 50.000 Fahrzeuge seines teuren S-Modells auf den Markt zu bringen, dem die renommierte US-Verbraucherorganisation Consumer Reports übrigens eine "überdurchschnittlich hohe Problemquote" bescheinigte.
Das wahrscheinlich grundlegendste Missverständnis im Zusammenhang mit Elektrofahrzeugen ist jedoch die Verknüpfung falscher Vorstellungen mit dem Begriff "Elektro". Auch vollständig elektrische Fahrzeuge haben nicht immer die beste Umweltbilanz.
Das ultimative Ziel eines Umstiegs von Fahrzeugen mit benzinbetriebenen Verbrennungsmotoren auf solche mit Elektromotor ist es, völlig ohne Kohlendioxidemissionen auszukommen und so einen wesentlichen Beitrag dazu zu leisten, den Anstieg der Durchschnittstemperatur in der Troposphäre unter 2 Grad Celsius zu halten.
Dies können Elektrofahrzeuge in Norwegen leisten, wo nahezu der gesamte Strom durch Wasserkraft erzeugt wird, oder in Kanada, wo 80 Prozent der Elektrizität aus Wasserkraftwerken oder Kernkraftwerken stammt. In beiden Fällen werden die Fahrzeuge aus Quellen angetrieben, bei denen bei der Elektrizitätsgewinnung nicht unmittelbar Treibhausgase freigesetzt werden. (Auch wenn beim Bau von Wasser- und Kernkraftwerken fossile Brennstoffe genutzt werden).
Das gilt aber nicht für Elektrofahrzeuge in anderen Teilen der Welt.

Zum Beispiel produziert ein Elektrofahrzeug in China oder vielen indischen Staaten, wo 90 Prozent der gesamten Elektrizität durch die Verbrennung von Kohle gewonnen wird, nur 25 Prozent weniger Treibhausgase als ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. In diesen Regionen wird durch den Wechsel auf ein Elektrofahrzeug höchstens erreicht, dass sich die Treibhausgasemissionen von den städtischen Straßen und Verkehrswegen in die Gebiete mit der höchsten Konzentration von Kohlekraftwerken verlagern.
Auch in anderen bevölkerungsreichen Ländern wie der Türkei, Indonesien, Thailand, Mexiko und Japan stellen Elektrofahrzeuge nicht die effektivste Fahrzeuglösung zur Reduzierung von Treibhausgasen dar. Das gilt auch für einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union wie Polen und die Niederlande, oder für US-Bundesstaaten wie Missouri, Texas und Florida, wo der Strom zu 80 Prozent aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird.
In Regionen, in denen Strom vorwiegend aus Kohle gewonnen wird, sind Hybridfahrzeuge das effektivste Mittel, um Treibhausgase zu reduzieren. So zum Beispiel in Missouri, wo 90 Prozent der Elektrizität aus Kohle gewonnen werden. Dort könnten durch den Einsatz von Elektrofahrzeugen die Treibhausgasemissionen um 27 Prozent verringert werden, mit Hybridfahrzeugen dagegen um 45 Prozent.
Hinzu kommt, dass die Hybridfahrzeuge schon jetzt sehr viel weiter verbreitet sind als reine Elektrofahrzeuge und Plug-In-Hybridfahrzeuge. Im Jahr 2015 entfielen auf sie fast 3 Prozent des weltweiten Automobilabsatzes. Bis 2020 könnte dieser Anteil bei 8 Prozent liegen.
Wie so häufig stammt die günstige und effektivste Lösung aus bewährten und weniger glorifizierten Quellen. Heute sieht es so aus, dass wenn Sie nicht gerade in Norwegen oder Quebec leben, eine überzeugende Argumentation zugunsten reiner Elektrofahrzeuge schwierig ist. Wenn Sie die Treibhausgasemissionen durch den Straßenverkehr reduzieren wollen, dann ist ein Hybridfahrzeug dafür möglicherweise besser geeignet als ein Elektrofahrzeug.
