Luftverschmutzung in London: Gegenmassnahmen
Grossreinemachen in London
Die britische Hauptstadt will durch umweltfreundlichere Strassen und Gebäude und die Reduzierung von Abfällen die Luftverschmutzung bekämpfen, die tödliche Ausmasse angenommen hat. Die stellvertretende Bürgermeisterin für Umwelt und Energie erklärt, wie das funktionieren soll.

In den meisten Ranglisten steht London entweder ganz oben oder ist zumindest unter den Ersten: Die Stadt gehört zu den größten, den reichsten, den am höchsten gebildeten Großstädten der Welt. Eine Auszeichnung würde die britische Hauptstadt jedoch lieber loswerden – die als eine der überfülltesten und am stärksten mit Abgasen belasteten Metropolen der entwickelten Welt.
Laut dem Verkehrsinformationsdienst Inrix verbringen die 8,7 Millionen Einwohner Londons im Durchschnitt pro Jahr bis zu 73 Stunden im Stau – mehr als doppelt so lange wie in Dubai oder Vancouver. Das Problem daran ist nicht nur, dass das ärgerlich und unwirtschaftlich ist. Staatlichen Angaben zufolge sterben etwa 9000 Londoner pro Jahr an den Folgen der Luftverschmutzung.
Die Konzentration der lungengängigen Feinstaubpartikel mit einer Größe von unter 2,5 Mikron – auch bekannt als PM2,5 – in der Londoner Luft liegt um 50 Prozent über dem Wert, den die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt. Auch der Anteil an Stickstoffdioxid (NO2) in der Stadt ist hoch, was langfristig zu Lungenproblemen und Atembeschwerden führen kann.
Die Tatsache, dass die Bevölkerung in der Hauptstadt Großbritanniens zweimal so schnell wächst wie im übrigen Teil des Landes, trägt auch nicht gerade zur Lösung des Problems bei. Der Kampf gegen die Luftverschmutzung ist daher eine Priorität für Shirley Rodrigues, die stellvertretende Bürgermeisterin für Umwelt und Energie, deren Regierung jüngst zusicherte, die "umweltfreundlichste in der Geschichte der Stadt" zu werden.
"Londons Wachstum ist mit einer Reihe von sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeitsproblemen verbunden. Eines der vordringlichsten Themen ist, dass unsere schmutzige Luft die Gesundheit der Einwohner Londons bedroht.

"Londons Wachstum ist mit einer Reihe von sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeitsproblemen verbunden."

Die neuen Maßnahmen beinhalten eine "Schadstoffabgabe" für die ältesten und abgasintensivsten Fahrzeuge in Central London ab Oktober 2017, strengere Emissionsvorschriften in den meisten Stadtgebieten, Pläne für autofreie Tage, Parkplätze, die für die saubersten Fahrzeuge reserviert sind, und Investitionen in Höhe von 2,1 Milliarden britischen Pfund, um die Londoner dazu anzuregen, öfter zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren.
Im Jahr 2016 wurden die ersten beiden vollelektrischen Busstrecken in London in Betrieb genommen. Die Elektro-Flotte in London umfasst bereits 73 Fahrzeuge und ist damit die größte Europas.
"Unser Ziel ist, dass bis 2020 alle 300 herkömmlichen Busse in im Zentrum von London emissionsfrei fahren und die berühmten 3100 roten Doppeldecker-Busse allesamt Hybridfahrzeuge sind," so Rodrigues.
London setzt im Kampf gegen die Luftverschmutzung außerdem auf modernste Technologien.
"Technologie spielt eine entscheidende Rolle für die Förderung von Innovationen wie der neuen Generation von Bussen und Taxis, die auf Londons Straßen den Betrieb aufnehmen werden," sagt Rodrigues.
"Außerdem bieten intelligente Technologien viele Möglichkeiten für die Nutzung großer Datenmengen, um die Entscheidungen von Menschen in verschiedenen Bereichen zu beeinflussen. Das reicht von der App auf dem Smartphone, die einem zeigt, wie man in der Stadt am besten von A nach B kommt, bis zu intelligenten Zählern (sogenannte "Smart Meter"), um den Energieverbrauch in privaten Haushalten zu optimieren."
Zur Innovationsförderung bietet die britische Hauptstadt über das Portal London Datastore 700 kostenlose Datensätze für Entwickler, Wissenschaftler und Unternehmen an.
Enthalten sind zum Beispiel Daten zur Luftverschmutzung, Busfahrpläne in Echtzeit, Fahrradrouten, Passagierströme und viele weitere. Zudem gibt es bereits mehrer Apps, mit denen sich nachverfolgen lässt, wie der Nutzer CO2-Emissionen reduziert, wie viele Kalorien er verbrennt und wie viel Geld er spart, wenn er zu Fuß unterwegs ist.
Die Luftverschmutzung ist jedoch nicht allein auf den Straßenverkehr zurückzuführen. Der riesige Berg aus Lebensmittelabfällen beschert der Hauptstadt jedes Jahr etwa 2,1 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Weggeworfene Lebensmittel verrotten auf den Abfalldeponien, während die Armen in London hungern.
"Lebensmittelverschwendung ist ein komplexes Problem, das sich nicht so einfach lösen lässt. Aber es kann schließlich nicht richtig sein, dass in einer so wohlhabenden und zukunftsorientierten Stadt wie London so viele Menschen von der Tafel abhängig sind, während gleichzeitig so viel gutes Essen von privaten Haushalten, Einzelhändlern, Restaurants und Lieferanten einfach weggeworfen wird," findet Rodrigues.
"Gemeinsam mit unseren Partnern arbeiten wir daran, überschüssige Lebensmittel besser unter den Londonern zu verteilen, die sie brauchen."
"Gemeinsam mit unseren Partnern arbeiten wir daran, überschüssige Lebensmittel besser unter den Londonern zu verteilen, die sie brauchen. Wir fordern jeden vom Kleinunternehmer bis zum Großkonzern dazu auf, sich zusammen dafür einzusetzen, dass wir damit aufhören, so viele Lebensmittel zu verschwenden."
Eine weitere Initiative ist ein Müllheizkraftwerk, das derzeit in Beddington (South London) errichtet wird. Das Müllheizkraftwerk, das noch im Jahr 2018 fertiggestellt werden soll, wird etwa 275 000 Tonnen Müll pro Jahr verarbeiten und daraus 26 Megawatt Elektrizität produzieren. Das reicht aus, um neben der Anlage selbst noch 30 000 Haushalte mit Strom zu versorgen.
Auch Londons florierende Bauindustrie soll sich bewegen, es gibt neue Vorschriften für die Minimierung von Emissionen im Bau und Richtlinien zum Schutz bestehender Grünflächen.
"Besonders wichtig ist eine solide Planung, wenn wir einerseits den Bedürfnissen der Londoner gerecht werden und andererseits unsere Umwelt schützen und das erhalten wollen, was London zu einem so fantastischen Ort zum Leben, zum Arbeiten, zum Studieren und zum Reisen macht. Wenn wir uns nicht um Nachhaltigkeit bemühen, riskieren wir nicht nur negative Folgen, sondern wir verpassen auch die Chancen auf den künftigen Wohlstand, den uns ein nachhaltiges Wachstum bringen kann.