Going green: Der neue Energiemix

Innovation in Sachen alternativer Energiequellen kommen der Umwelt, der Wirtschaft und der Gesellschaft zugute. Die Länder haben aber immer noch Probleme, eine zuverlässige und beständige Versorgung zu gewährleisten.

Der Grossteil der Energie, der zum Heizen, zum Tanken und für den Betrieb von Kraftwerken genutzt wird, stammt nach wie vor aus fossilen Energieträgern, die jedoch endlich sind. Das Verbrennen von Öl, Gas und Kohle verursacht 87% der globalen Treibhausgasemissionen, mehr als jede andere Aktivität.

Jedes Jahr sterben schätzungsweise 7 Millionen Menschen an schädlichen Abgasen von Autos, Fabriken und alten Lampen. Die Politik hat es sich zum Ziel gesetzt, den CO2-Ausstoss zu reduzieren, daher verändert sich der globale Energiemix: Rund ein Fünftel des Angebots stammt mittlerweile aus sauberen Energiequellen wie Wind, Sonne, Biobrennstoffe und Wasserkraft. Erneuerbare Energien verzeichnen ein schnelleres Wachstum als jede andere Energiequelle.

Fossile Energieträger an sich können sauberer werden, indem CO2 abgeschieden wird, bevor es in die Atmosphäre gelangt, und unterirdisch gespeichert wird, damit es nicht zum Klimawandel beitragen kann. Das alleine reicht aber nicht. Um unter der Grenze für die globale Erwärmung gemäss dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2016 zu bleiben, müssen mehrere Billionen US-Dollar in saubere Energie investiert werden. „Der Umfang der Dekarbonisierung ist gigantisch“, so Christoph Frei, CEO des von den Vereinten Nationen akkreditierten Weltenergierates. „In den vergangenen 45 Jahren lag die durchschnittliche Dekarbonisierungsrate bei etwa 1% pro Jahr. Damit der Temperaturanstieg unter 2 °C bleibt, wie im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegt, muss sich die Rate auf 6% pro Jahr erhöhen. Das ist keine Kleinigkeit, sondern eine regelrechte Revolution.“

Nach jahrelanger Förderpolitik haben die Marktkräfte begonnen, den Umstieg auf sauberere Energie zu tragen. Solaranlagen, die mit Abstand am schnellsten wachsende Technologie für erneuerbare Energie, sind günstiger und effizienter geworden. Für Heizungen und Fahrzeuge wird zunehmend Strom statt schmutzige Energieträger genutzt. Durch die Digitalisierung von Stromnetzen und stromfressenden Konsumgütern wie Kühlschränken sollen Schwankungen bei der Verfügbarkeit erneuerbarer Energie ausgeglichen werden.

Vor zehn Jahren waren Wind- und Solarenergie richtig teuer und wurden staatlich gefördert. Heute gehören diese Energieformen zu den günstigsten – und gelten als die risikoärmsten. Die Akzeptanz nimmt somit auch ohne staatliche Anreize zu“, so Francis O’Sullivan, Forschungsleiter der Energy Initiative am Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Nirgendwo auf der Welt verändert sich der Energiemix so stark wie in China. Das Land produziert mehr Kohlendioxid als jede andere Nation, hat aber in halsbrecherischer Geschwindigkeit den Bedarf an Öl und Gas reduziert und ist jetzt weltweit führend im Bereich saubere Energie. Durch einen Mix aus Zuschüssen, Zielvorgaben und Produktionsanreizen hat China in den vergangenen Jahren mehr für die Reformierung seines Energiesystems getan als die USA und die EU zusammen. Das Land produziert ein Drittel der globalen Windenergie und ein Viertel der Solarkapazität. Chinesische Unternehmen fertigen rund 60% der globalen Solarzellen. Und China produziert mehr Elektrofahrzeuge als der Rest der Welt zusammen.

Marktdruck

Der Umstieg auf sauberere Energiequellen eröffnet Chancen für Unternehmen im Bereich der Digitalisierung und Elektrifizierung – und er kommt der Umwelt zugute. Dank kostengünstiger Solarzellen konnten bereits Millionen Menschen in den Schwellenländern von Petroleumlampen, die giftige Dämpfe abgeben, auf sauberere, günstigere Energiequellen umsteigen. Mit dem sich verändernden Energiemix gehen jedoch auch Herausforderungen einher.

Die grösste besteht darin, die Integrität der vorhandenen Energiesysteme aufrechtzuerhalten. Wind- und Solarenergie sind wetterabhängig und somit keine beständige Energiequelle. Und den damit erzeugten Strom können die heutigen Batterien nicht lange speichern. Wenn also nicht das Licht ausgehen soll, müssen die Länder einen Sicherheitsbestand gewährleisten. „Erneuerbare Energien bringen viel mehr Intermittenz in den Markt, weil ihre Verfügbarkeit schwankt“, so Frei. „Die Frage wird sein: Wie schaffen wir es, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten?

Einige Nationen nutzen zusätzlich Elektrizität, um Wasser in hydroelektrische Staudämme zu pumpen, wo es als potenzielle Energie gespeichert und bei Bedarf freigegeben wird. Eine weitere Antwort liegt in riesigen miteinander verbundenen Netzen, sodass Strom zwischen sonnen- oder windreichen Orten übertragen werden kann. Eine dritte ist die Digitalisierung. Anstatt Energie für Nachfragespitzen zu speichern, könnten Smart Appliances ihren Verbrauch reduzieren, wenn der nationale Energieverbrauch hoch ist.

„Wenn wir das systematisch bei Kühlschränken, Kühlhäusern, Heizungen und Verkehrsmitteln umsetzen, steht uns ein riesiges Speichermedium zur Verfügung“, so Frei.

Im Moment werden die Gewinne bestehender Anlagenbetreiber dadurch geschmälert, dass sie einen Sicherheitsbestand gewährleisten müssen. In Kalifornien zum Beispiel zahlen gasbetriebene Kraftwerke drauf, wenn die Erzeugung von Sonnenenergie auf Hochtouren läuft und ihre Elektrizität nicht benötigt wird, sie ihre Turbinen aber am Laufen halten müssen. Verabschiedet sich die Sonne wieder, müssen ihre Anlagen startklar sein. „Dadurch, dass die Verfügbarkeit dieser Ressourcen schwankt, müssen Sicherheitsbestände angelegt werden“, so O’Sullivan. „Aber die heutigen Märkte sind in der Regel nicht darauf eingestellt, Anlagenbetreiber dafür zu entschädigen, dass sie solche Bestände anlegen, wenn sich erneuerbare Energien in grossem Stil durchsetzen.“

Wenn es eine Wunderwaffe gäbe, dann wäre es womöglich die Kernfusion, die Energiequelle von Sonne und Sternen. Der Vorgang unterscheidet sich von der uns besser bekannten Kernspaltung, auf die viele Länder bislang gesetzt haben, um grosse Teile ihres Strombedarfs zu decken. Anstatt einen schweren, instabilen Atomkern zu spalten, werden bei der Kernfusion leichte Elemente zu schwereren verschmolzen. Dabei werden enorme Mengen an Energie freigesetzt. Würde das in grossem Massstab funktionieren, könnte diese Technologie eine möglicherweise unerschöpfliche und saubere, CO2-freie Energiequelle sein. Und dafür würde nur ein Bruchteil der Fläche benötigt werden wie für Solar- oder Windparks. Bislang ist es den Forschern aber noch nicht gelungen, die Kernfusion in die Stromnetze zu verlagern.

Sie hatten lange mit technischen Herausforderungen zu kämpfen, wie zum Beispiel mit der Frage, wie sich der Reaktor vor den brennendheissen subatomaren Teilen, dem Plasma, schützen lässt. „Bislang fehlte es an Kapitalressourcen, um dem grossen Problem der Menschheit, der globalen Erwärmung, durch Kernfusion etwas entgegenzusetzen“, so Martin Greenwald, stellvertretender Direktor des Plasma Science and Fusion Center am MIT.

Jüngste Durchbrüche könnten der Idee wieder mehr Geltung verschaffen. Mit hochmodernen supraleitenden Materialien ist es Wissenschaftlern vor kurzem gelungen, kleinere, leistungsstärkere Magneten zu entwickeln, eine der wichtigsten Komponenten von Kernfusionsreaktoren. Im Rahmen einer Kooperation zwischen dem MIT und einem Startup namens Commonwealth Fusion Systems soll versucht werden, mithilfe solcher Magnete dem Fusionsprozess mit weniger Energie Impulse zu geben. „Mit den neuen Magneten können wir Kernfusionskraftwerke bauen, die nur etwa ein Zehntel so gross sind wie die bisher angedachten“, so Greenwald. „Dadurch verringern sich nicht nur die Kosten von Fusionsenergie, sondern die Entwicklung wird schneller und kostengünstiger vonstatten gehen.“

Die Verbraucher stehen dem womöglich positiver gegenüber als konventioneller Kernenergie, weil es bei der Kernfusion zu keiner Kernschmelze kommen kann. Auch entsteht kein radioaktiver Abfall und es wird kein Plutonium oder angereichertes Uran – das für die Herstellung von Nuklearwaffen verwendet wird – benötigt. „Diese Punkte sind sehr wichtig, weil jede Lösung für das Problem der globalen Erwärmung in den Schwellenländern umsetzbar sein muss, wo der Grossteil des künftigen globalen Energiebedarfs herkommen wird“, so Greenwald. „Die Fusionsenergie kann diesen Bedarf decken.“