Ihr nächstes Haus stammt vielleicht aus dem 3D-Drucker

Wie riesige 3D-Drucker den Bau von Wohn- und Geschäftsgebäuden revolutionieren könnten

In den für ihre Kanäle berühmten Niederlanden sind Brücken ein alltäglicher Anblick. Doch vier davon sind alles andere als gewöhnlich, denn die 8 Meter langen Konstruktionen aus Beton wurden von einem riesigen Druckroboter geschaffen.

Sie sind das Ergebnis einer Revolution, die 3D-Drucker, die Kunststoffe und andere Materialien extrudieren, um daraus feste Objekte herzustellen, vom Schreibtisch auf die Baustelle holt. Seit 2017 haben verschiedene Unternehmen und Konzerne in den USA, Europa und Asien Wartestellenhäuschen, Trennwände für Konferenzsäle und ganze Häuser „gedruckt“.

3D-Druck-Verfahren stecken noch in den Kinderschuhen, doch in den kommenden zehn Jahren könnten professionelle Drucker das Bauwesen auf den Kopf stellen. Experten glauben, dass sie damit die Bauzeit halbieren, die Kosten um ein Drittel senken und nachhaltigere, robustere Konstruktionen bereitstellen könnten, die mehr Raum für individuelle Anpassungen lassen.

Der Technologie wird eine rasante Entwicklung prophezeit: Nach Prognosen von Polaris Market Research wird der weltweite Markt für 3D-Druck im Bauwesen von 4,6 Millionen USD im Jahr 2019 auf 14,9 Milliarden USD im Jahr 2026 wachsen.

Wahre Alleskönner

3D-Baudrucker arbeiten im Grunde ganz ähnlich wie Tintenstrahldrucker zu Hause, nur dass sie Beton statt Tinte ausspucken. Düsen fahren auf Schienen hin und her, während Computer das Muster der Extrusion steuern, sodass eine 2 cm dicke Schicht Beton (oder Stahl oder ein anderes Material) genau dort aufgebracht wird, wo es nötig ist. Bis die langsam fahrende Düse das Ende ihres Weges erreicht hat, der bis zu 30 Meter lang sein kann, ist die Schicht in der Regel so weit ausgehärtet, dass eine weitere aufgebracht werden kann. Auf diese Weise entsteht zum Beispiel Schicht für Schicht eine Hauswand. Dank eines präzisen Druckmusters kann die Düse dabei Aussparungen für Fenster, Türen, Leitungen und andere Design- und Strukturelemente lassen.

Einer der klarsten Vorteile des Verfahrens ist seine Geschwindigkeit. Der Druck eines einstöckigen, 46 Quadratmeter grossen Hauses dauert nur etwa 24 Stunden.

„Der Drucker liefert die Struktur, die Dämmung, die Verkleidung, die Oberflächenbehandlung innen und aussen und das Leitungssystem – alles auf einmal“, sagt Jason Ballard, Mitbegründer und CEO von ICON, einem in Texas in den USA ansässigen Unternehmen, das sich auf 3D-Druck-basiertes Bauen spezialisiert hat. „Dafür müssen normalerweise 20 Leute aus fünf oder sechs verschiedenen Gewerken mehrere Tage lang arbeiten.“

3D-Baudrucker verursachen auch weniger Abfall. Auf einer typischen Eigenheim-Baustelle fallen davon etwa vier Tonnen an. Da der Beton bei der herkömmlichen Stahlbetonbauweise gleichmässig aufgebracht wird, egal ob er in einem bestimmten Bereich tragende Funktion hat oder nicht, wird dabei etwa die Hälfte des Betons vergeudet. Das hat besonders für die Umwelt negative Folgen, denn Zement, der Hauptbestandteil von Beton, ist für etwa 7 Prozent unseres Kohlendioxidausstosses verantwortlich. 3D-Drucker können dagegen die Dicke einer Struktur sehr genau anpassen und Beton nur dort einsetzen, wo er wirklich gebraucht wird  – ein Verfahren, das als Topologieoptimierung bezeichnet wird.

Ein weiterer Vorteil des 3D-Druck-basierten Bauens besteht darin, dass es digital ist: Ein auf dem Computer erstellter Entwurf kann direkt in die Befehle für den Drucker umgewandelt werden. Damit entfällt die Übertragung in Baupläne auf Papier, die dann von den bauausführenden Personen interpretiert werden müssen – ein fehleranfälliger Prozess, der häufig zu Kostensteigerungen und Verzögerungen führt.

Der rein digitale Ansatz lässt zudem auch mehr Raum für Kreativität in der Planungsphase. Architekten können so günstiger individuelle oder halbindividuelle Lösungen anbieten, ohne den Handwerkern erläutern zu müssen, wie der neuartige Entwurf umzusetzen ist.

„Dem Drucker ist egal, was für einen Plan Sie ihm vorsetzen“, sagt Theo Salet, Bauingenieur an der Technischen Universität Eindhoven und Vorreiter im Bereich des 3D-Druck-basierten Bauens – von ihm stammen die niederländischen Brücken. „Er berechnet Ihnen nicht mehr, nur weil Ihr Entwurf originell ist.“

Bisher wurden vor allem bescheidene, kostengünstige Gebäude gedruckt. ICON baute per 3D-Druck beispielsweise eine Unterkunft für Familien in Austin, Texas, die 10.000 USD kostete, und ist noch mit dem Druck fünf weiterer beauftragt. Danach will das Unternehmen mit einem Drucker nach Lateinamerika gehen und dort 50 kostengünstige Häuser errichten. Salet wiederum beginnt bald mit dem Bau einer gut 27 Meter langen Brücke in Amsterdam und ist ausserdem eine Kooperation zum Bau mehrerer Häuser in den Niederlanden eingegangen.

Blaupause für die Zukunft

Doch um die Produktion auszuweiten, müssen die technischen und gesetzlichen Voraussetzungen noch verbessert werden. Was erstere anbelangt, haben die Experten bisher noch keine effiziente Möglichkeit gefunden, den Beton eines Druckers zu verstärken. Im herkömmlichen Bau wird dafür Bewehrungsstahl verwendet. Einige Entwickler experimentieren deshalb mit einem zweiten Roboter, der Stahlstäbe in jede frisch aufgebrachte Schicht legt. Bei anderen Verfahren spuckt der Hauptdrucker neben dem Beton noch wenige Millimeter dicken Metall- oder Kunststoffdraht aus. Doch keiner der beiden Ansätze hat sich bisher als ideal erwiesen.

Die grosse Hoffnung ist, dass neue Betonzusammensetzungen oder sogar neue extrudierbare Materialien gefunden werden, die so stabil sind, dass keine Verstärkung mehr nötig ist. Ein möglicher Kandidat ist zum Beispiel Epoxidharz. Dieses Polymer wird derzeit im produzierenden Gewerbe und im Bau in Klebstoffen und Beschichtungen eingesetzt. Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten. „Wenn ich das Ganze etwas radikaler betrachte, würde ich gern mit einem Biomaterial arbeiten“, sagt Salet. „Doch wir haben einfach noch nicht das nötige Know-how, um im Bauwesen damit zu arbeiten.“

Auch die Sicherheitsvorgaben müssen noch endgültig festgelegt werden: Nötig sind verbindliche Richtlinien für die Begutachtung 3D-gedruckter Häuser und Regeln für Bauverfahren. Falls unerfahrene, unvorsichtige Bauunternehmer Zugang zu Druckern erhalten, könnten ihre Konstruktionen einsturzgefährdet sein, warnt Salet.

„Man muss sicherstellen, dass die Verbindungen zwischen den Schichten stark genug sind, und dazu braucht es viel Fachwissen“, sagt er. „Ich habe die Sorge, dass sich jemand einen Drucker kauft und beschliesst, eine Brücke zu bauen, und er dann zwischen den Schichten zu lange wartet, sodass schwächere Verbindungen entstehen. Schon ein einziger Vorfall würde die gesamte Branche des 3D-Druck-basierten Bauens in Verruf bringen.“

Doch es gibt Fortschritte. So arbeitet etwa Ballard mit Baugutachtern, Versicherungsgesellschaften und staatlichen Hypothekenkreditanstalten in den USA zusammen, die alle Teil des notwendigen Prozesses sind, um Häuser aus dem Drucker zu einer echten Option für die meisten potenziellen Käufer zu machen. „Sie müssen sich noch etwas an den Gedanken gewöhnen“, sagt er. „Doch ich denke, sie werden erkennen, dass es keine Garantie dafür gibt, dass ein auf herkömmliche Weise errichtetes Bauwerk so stabil ist, wie es unsere Bauten sein können.“