Wie 5G unser Leben verändern wird

Das erste Upgrade des Mobilfunknetzes seit zehn Jahren soll uns mitten in die Welt des Internets der Dinge katapultieren.

Grosse Netzbetreiber sind gerade dabei, Ultra-Highspeed-Mobilfunknetze einzuführen, die Technik der fünften Generation (5G) nutzen, um Daten mit der bis zu 50-fachen Geschwindigkeit aktueller Funknetze zu übertragen. Doch 5G verspricht mehr als nur einen besseren Handyempfang und höhere Download-Geschwindigkeiten.

„5G wird unser Leben verändern wie nur wenige Technologien zuvor“, sagt Karri Kuoppamaki, Vizepräsident für Funknetztechnik und -strategie bei T-Mobile, wo er für die Implementierung der 5G-Netze des Unternehmens verantwortlich ist.

Es gibt drei Unterschiede zwischen 5G und dem aktuellen Standard 4G: Geschwindigkeit, Bandbreite und die sogenannte Latenz, d. h. die Zeit, die Daten benötigen, um von einem Server im Netz zu einem Gerät zu gelangen. 5G-Netze sind schneller, können grössere Datenmengen bewältigen und verkürzen die Wartezeiten. Die neue Technologie ist in der Lage, in Bruchteilen einer Sekunde Daten von Millionen lokaler Sensoren oder Geräte an weit entfernte Cloud-Computer zu übermitteln, um sie dort zu verarbeiten, und anschliessend die jeweilige Antwort zurückzusenden. Diese Datenflut wird eine ganze Reihe neuer webbasierter Dienste hervorbringen.

Die Sensoren selbst können dabei winziger, günstiger und widerstandsfähiger werden, denn 5G hat noch einen weiteren Vorteil: kleinere Akkus. 5G-Geräte bleiben mit dem Netz verbunden, statt ständig Signale hin- und herzusenden, wie es bei 4G-Netzen nötig ist, um die Verbindung aufrechtzuerhalten – und das zehrt am Akku. 5G wird unseren Alltag verändern. „Wir werden zu jeder Zeit die Informationen zur Verfügung haben, die wir benötigen, um Entscheidungen zu treffen“, prognostiziert Kuoppamaki.

Die ersten 5G-Netze gingen Ende 2019 in Grossstädten rund um den Globus in Betrieb. Das entspricht mehr oder weniger dem Muster, die Mobilfunktechnik rund alle zehn Jahre einem grundlegenden Upgrade zu unterziehen. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, welchen Einfluss diese Upgrades haben können, sollte man sich vor Augen führen, dass das letzte grosse Upgrade – von 3G auf 4G etwa im Jahr 2010 – die Verbreitung von Handy-Apps ermöglicht hat, die nun ein fester Bestandteil unserer vernetzten Kultur sind. „Die Umstellung auf 4G hat die App-Wirtschaft hervorgebracht und Google und Facebook zu dem gemacht, was sie heute sind“, sagt Kuoppamaki.

Als erstes vom 5G-Standard profitieren werden wahrscheinlich Anwendungen, die Video-Livestreaming anbieten – bei denen also mit einem Smartphone Ereignisse in Echtzeit aufgezeichnet und übertragen werden. Dank seiner Geschwindigkeit kommt das 5G-Netz mit einer Bildauflösung von 8K zurecht, was dem Vierfachen an Informationen entspricht, die in 4K-Bildern in Ultra-HD enthalten sind, und selbst die Funktionalität der meisten Fernseher übersteigt. Das Netz verfügt zudem über genügend zusätzliche Bandbreite, um mehrere Videostreams gleichzeitig zu übertragen, sodass Benutzer bei Sportereignissen zum Beispiel zwischen verschiedenen Kameraeinstellungen wechseln oder einen 360-Grad-Rundumblick erleben können.

Andere Anwendungen, die mit Sicherheit früh ein Upgrade auf 5G erhalten werden, sind mobile Gaming- und Virtual-Reality-(VR-)Apps, mit denen die Benutzer dank spezieller Brillen in 3D-Welten eintauchen. Solchen Anwendungen kommt noch ein weiterer Aspekt von 5G-Netzen zugute. „Es besteht häufig die Fehlannahme, bei 5G ginge es nur um höhere Geschwindigkeiten“, sagt Kuoppamaki. „Die geringe Latenz ist aber auch ein grosser Vorteil und eine umfassendere Masszahl für die Datengeschwindigkeit von Ende zu Ende als die Übertragungsgeschwindigkeit.“ Gaming- und VR-Apps funktionieren am besten, wenn die Bilder praktisch unmittelbar auf die Aktion des Benutzers reagieren – sei es nun ein Wischen über den Bildschirm, eine Bewegung der Hand oder ein Drehen des Kopfes. Die neuen 5G-Netze werden die Latenz um 80 Prozent reduzieren und so eine nahezu unmittelbare Reaktion ermöglichen.

Die Geschwindigkeit und die schnelle Reaktion von 5G-Netzen werden sich auch auf die Hardware auswirken: So können zum Beispiel VR-Brillen schlanker, leichter und weniger klobig werden, merkt Kuoppamaki an. Aktuell müssen diese Brillen einen Grossteil der Rechenleistung liefern, die für die Umwandlung der Rohdaten in die eigentlichen Bilder nötig ist. Doch 5G-Netze können die Daten so schnell hin- und hersenden, dass ein Grossteil der Verarbeitung in die Cloud ausgelagert werden kann.

Eng mit VR verwandt ist die Augmented Reality (AR), bei der Grafiken und Texte über reale Bilder gelegt werden. Auch AR wird mit 5G weite Verbreitung finden und in vielen Fällen unverzichtbar werden, meint Kuoppamaki. „Stellen Sie sich vor, Sie wollen sich zu Hause ein bisschen als Klempner betätigen und Ihren Wasserhahn austauschen“, sagt er. „Sie könnten einfach Ihre Brille aufsetzen und sich von einer AR-App Schritt für Schritt anleiten lassen – direkt unter dem Waschbecken, während Sie Ihre Rohre anschauen.“ 5G-gestützte VR- und AR-Apps könnten dem Unterricht und der Ausbildung in nahezu allen Bereichen buchstäblich eine neue Dimension verleihen.

Und dann ist da natürlich noch das Internet der Dinge, das uns jede Menge „smarte“ Helfer an die Seite stellen wird. Zu Hause könnte das so aussehen, dass die Tomatenpflanzen im Garten nach Wasser rufen, das Dach nach Unwettern vor Schwachstellen warnt, Eltern von der Jacke ihres Kindes über dessen Standort informiert werden, Abfalleimer nach Entleerung verlangen und der Milchkarton auf sein Mindesthaltbarkeitsdatum aufmerksam macht. Auf der Strasse könnten uns freie Parkplätze angezeigt werden, autonome Fahrzeuge könnten jede Sekunde Daten über den umliegenden Verkehr erhalten, wir könnten vor schlechter Luftqualität oder vereisten Gehwegen gewarnt werden und vieles mehr.

„Das Internet der Dinge wird die Art und Weise verändern, wie wir leben und wie wir mit unserer Umgebung interagieren“, sagt Kuoppamaki.

Auch Unternehmen werden davon profitieren. Industrieroboter, Drohnen und autonome Lkw werden besser auf Hindernisse und wechselnde Verhältnisse reagieren können. Kabel werden selbst bei den komplexesten computergesteuerten Maschinen nicht mehr nötig sein, sodass sie einfacher bewegt werden können. Unternehmen werden die Freiheit haben, ihre Werkshallen bei Produktumstellungen oder Schwankungen der Auftragslage flexibel umzugestalten. „Heute ist es schwierig, Werke schnell umzustellen“, sagt Kuoppamaki. „Wenn Anlagen mobiler sind, lässt sich die Time-to-Market verkürzen.“ Ausserdem, fügt er hinzu, werden Sensoren in den Anlagen kontinuierlich externe KI-Software mit den Monitoringdaten füttern, die nötig sind, um eigenständig auf Schwankungen der Produktqualität zu reagieren und zu beurteilen, wann die Anlage eine präventive Wartung benötigt, um Stillstand und teurere Reparaturen zu vermeiden.

Die Umstellung auf 5G wird nicht über Nacht passieren, warnt Kuoppamaki. Die erste Welle ausgefeilter Anwendungen wird uns wahrscheinlich erst in drei Jahren oder noch später erreichen. Auch die Kosten könnten vorübergehend ein Hindernis darstellen, denn aktuell können lediglich neue Highend-Geräte auf 5G-Netze zugreifen.

Doch die ersten positiven Auswirkungen werden bereits spürbar, vor allem in Form einer Beschleunigung bestehender Anwendungen.

„Wie bei allen neuen Technologien nimmt die Verbreitung am oberen Ende des Markts ihren Anfang und setzt sich dann nach unten hin fort“, sagt er. „Es wird nur wenige Jahre dauern, bis 5G überall ist.“