Volle E-Kraft voraus: Der Durchbruch des Elektroautos

Warum Autofahrer schon bald erleben werden, wie die Steckdose die Zapfsäule ersetzt.

Unter dem Slogan „Driving Tomorrow“ gewährte die Frankfurter Automobilausstellung der Öffentlichkeit im vergangenen Jahr einen Blick in die Zukunft. Eine Zukunft, in der die Steckdose die neue Zapfsäule sein wird.

Während der einwöchigen Veranstaltung, die auch Hunderte von Klimaaktivisten anzog, präsentierten die Aussteller ihre Neuheiten, wobei die aufsehenerregendsten Modelle eines gemeinsam hatten: Sie waren allesamt elektrisch.

Erpicht darauf, mit ihren grünen Vorzügen zu glänzen, enthüllten die Automobilhersteller eine schwindelerregende Reihe neuer Technologien. Dazu zählten Batterien der nächsten Generation, Wasserstoff-Brennstoffzellen und sogar ein rein elektrischer Rallyewagen.

Allem Glanz zum Trotz ist aber auch klar, dass es einiges kosten wird, den Verbrennungsmotor zu ersetzen. Doch der Automobilindustrie mangelt es nicht an Anreizen, umweltfreundlichere Fahrzeuge zu produzieren. In Europa und China stehen die Hersteller unter dem Druck, neue Umweltvorschriften umsetzen zu müssen. Luftverschmutzern drohen hohe Strafen, und Unternehmen, die weiterhin nichtelektrische Fahrzeuge herstellen, stehen vor einer Flut neuer Regelungen, die von der Energieeffizienz bis hin zum Forschungs- und Entwicklungsbudget keinen Bereich unangetastet lassen. 

Dennoch gibt es auf dem Weg hin zu einem emissionsfreien Verkehrssystem einige Hürden zu überwinden. So ist etwa der Preis von Elektrofahrzeugen nach wie vor zu hoch, um Fahrer herkömmlicher Autos mit Verbrennungsmotor in grosser Zahl zum Umstieg zu bewegen.

Die Infrastruktur – oder vielmehr ihr Fehlen – ist ein weiteres zentrales Problem. Das heutige Stromverteilungsnetz wird in den nächsten zehn Jahren sicherlich Schwierigkeiten haben, mit dem Bedarf von Millionen neuer stromhungriger E-Autos Schritt zu halten. Die Stromnetze benötigen weitere Investitionen: Zwischen 2016 und 2026 werden schätzungsweise 3 Billionen USD in die Übertragungsinfrastruktur investiert werden.1

Europa und China schalten einen Gang hoch

Die E-Mobilität nimmt an Fahrt auf. Laut der Internationalen Energie-Agentur vergrösserte sich die weltweite E-Auto-Flotte von 2 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2017 auf 5 Millionen im Jahr 2018. Das entspricht 36 Millionen Tonnen weniger CO2, die in die Atmosphäre gepumpt werden. 

Bis 2030 könnten allein auf chinesischen und europäischen Strassen insgesamt 18 Millionen E-Autos unterwegs sein – mehr als Benziner und Diesel zusammen.2

Solche Prognosen mögen auf den ersten Blick optimistisch erscheinen. Doch ehrgeizige Gesetzgeber und neue Technologien können die Verkehrswende entscheidend beschleunigen.

In China, dem weltgrössten Markt für Elektroautos, darf seit Januar nicht mehr in neue Werke für Verbrennungsmotoren investiert werden. Damit baut die Regierung auf den bereits bestehenden Subventionen auf, mit denen die Akzeptanz von Elektroautos gefördert werden soll.

Europa, der zweitgrösste Markt, hat ebenfalls strenge neue Emissionsvorschriften erlassen. Nun muss jeder Automobilhersteller bis Ende 2020 die Emissionen seiner gesamten Flotte auf durchschnittlich 95 g CO2/km begrenzen. Das sind rund 20 Prozent weniger als der durchschnittliche Ausstoss im Jahr 2018. Dieser Grenzwert wird bis 2025 auf 81 g und bis 2030 auf 59 g sinken.

Wer die Vorschriften nicht erfüllt, den kommt das teuer zu stehen: Für jedes weitere g/km an zusätzlichen Emissionen wird pro Fahrzeug eine Strafe von 95 EUR fällig. Automobilherstellern, die ihre CO2-Emissionen im Vergleich zum Stand von 2019 nicht verbessern, drohen Strafen von mehreren Milliarden Euro pro Jahr.

Grösser, besser, weiter

Technische Entwicklungen können ebenso starke Impulse setzen wie die Gesetzgebung, nicht zuletzt, weil sie eine entscheidende Voraussetzung dafür sind, dass die Verkaufspreise von Elektroautos sinken.

Der Trend hier ist vielversprechend.

Bis 2025 werden die meisten E-Fahrzeuge wahrscheinlich günstiger in der Anschaffung sein als herkömmliche Autos.3

Das macht das Fahren eines E-Autos wirtschaftlich noch attraktiver, als es heute bereits ist, denn der Unterhalt eines Elektroautos verursacht nur einen Bruchteil der Kosten, die beim Betrieb eines Benzinschluckers anfallen.4

Die Preise von Elektroautos werden fallen, sobald die Produktion in grösserem Massstab stattfindet und innovative Technologien günstiger werden.

Die Fortschritte im Bereich der Lithium-Ionen-Batterietechnik sind besonders beeindruckend: Im Laufe der letzten zehn Jahre sind die Kosten der Batterien um 90 Prozent gesunken, und bis 2024 wird eine Reduktion um weitere 47 Prozent prognostiziert.5

Gleichzeitig haben die Hersteller den Nickelgehalt von Batteriezellen stetig erhöht, um die Kapazität zu steigern, das Gewicht zu verringern und die Reichweite von Elektroautos zu erhöhen. Die Kosten von Batterien des Typs NMC622 sind seit 2016 um 20 Prozent auf 112 EUR/Kilowattstunde (kWh) gesunken.6

Die NMC811-Batterie der nächsten Generation – die die Reichweite von Elektroautos voraussichtlich auf weit über 500 km erhöhen wird – sollte in den nächsten Jahren ein Kostenniveau von 69 EUR/kWh erreichen.

Die Ladestationen werden ebenfalls schneller, sodass Fahrer in Zukunft nicht mehr lange ausgebremst werden.

Einige der neuen „Supercharger“ haben eine Leistung von 250 kW. Zum Vergleich: Heutige Ladestationen liegen hier zwischen 3 und 200 kW. Damit könnten Fahrer nach nur fünfminütigem Laden bereits wieder 120 km weit fahren. Ein neues Ladenetz in Deutschland soll das Laden mit bis zu 350 kW ermöglichen.

Weitere Verbesserungen sind zwar möglich, aber schwieriger umzusetzen.

Ultraschnellladestationen benötigen eine Stromversorgung, die dem Maximalbedarf von etwa 60 Durchschnittshaushalten entspricht.7 Sie werden mit Gleichstrom betrieben, um die Ladezeit zu verkürzen. Das bedeutet, dass sie den Wechselstrom, den das Netz bereitstellt, zunächst in Gleichstrom umwandeln müssen.

Dazu sind Weiterentwicklungen in der Leistungselektronik und bei Halbleitersystemen nötig.

Sobald entsprechende Technologien ausgereift sind, werden sie in Kombination mit neuen Materialien (siehe unten) dafür sorgen, dass Elektroautos sauberer und noch leistungsfähiger werden.

Eine elektrische Zukunft liegt also gar nicht mehr in so weiter Ferne. Der Verbrennungsmotor hat das Ende seines Weges bald erreicht.

[1] Northeast Group
[2] Bloomberg New Energy Finance (BNEF)
[3] International Council on Clean Transportation, April 2019
[4] Die Kosten einer Stromladung für 500 km liegen bei etwa 5 EUR, einem Zehntel der Kosten einer entsprechenden Tankladung Benzin oder Diesel.
[5] BNEF
[6] Nickel-Mangan-Kobalt-Kathode mit der Zusammensetzung 60% Nickel, 20% Mangan und 20% Kobalt. Quelle: P3
[7] Basierend auf einem durchschnittlichen Stromvertrag über 6 kW
  1. SiC: Galaktisches Material aus Sternenstaub

    Eines der neuen Materialien, mit denen Hersteller von Elektroautos die Effizienz erhöhen wollen, ist Siliziumkarbid (SiC). SiC, das zuerst in 4 Milliarden Jahre alten Meteoriten entdeckt wurde, ist eine widerstandsfähige kristalline Verbindung aus Silizium und Kohlenstoff. Wenn sie in einem Halbleiter als Alternative zu Silizium eingesetzt wird, ermöglicht sie den Betrieb von Elektromotoren mit höheren Spannungen. 

    In Anwendungsbereichen mit hoher Leistung sind SiC-Komponenten kleiner, schneller und effizienter als ihre Pendants aus Silizium. Ausserdem haben sie das Potenzial, die Ladezeit zu halbieren und die Reichweite um bis zu 20 Prozent zu erhöhen.8

    Der SiC-Bedarf der globalen Automobilindustrie wird zwischen 2018 und 2030 voraussichtlich mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von über 60 Prozent ansteigen.9

    [8] Basierend auf dem SiC-Inverter von Delphi Technologies in Kombination mit elektrischen Systemen mit einer Spannung von bis zu 800 V; SiC-Studie von Goldman Sachs, November 2018
    [9] SiC-Studie von Goldman Sachs, November 2018

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