Das neue Gesicht des Fast Foods

Mithilfe von Molekularwissenschaft und Genom-Editierung will die Fast-Food-Branche dem Fett den Kampf ansagen und umweltfreundlicher werden.

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Bequemlichkeit kann ganz schnell unbequem werden. Was unsere Ernährung angeht, ist dies ganz sicher der Fall.

Aus Bequemlichkeit essen wir immer häufiger auswärts oder lassen uns Essen nach Hause liefern – und nehmen dafür Risiken für unsere Gesundheit und die Umwelt in Kauf.

Aktuelle Daten zeugen von einer radikalen Veränderung unserer Essgewohnheiten. Zum ersten Mal in der Geschichte geben die Amerikaner mehr Geld für Essen ausser Haus (Food Away From Home, FAFH) – ein Mittagessen im Restaurant, einen kleinen Snack vom Imbissstand oder die Pizza vom Lieferservice – als für selbst zubereitetes Essen aus. Zusammengenommen gönnen sich die US-amerikanischen Haushalte pro Jahr Essen ausser Haus im Wert von mehr als 730 Mrd. USD – der grösste Posten in ihrem Lebensmittelbudget überhaupt.1

Das gleiche Phänomen ist auch in anderen Industrieländern sowie in Schwellenländern zu beobachten, in denen die städtische Bevölkerung und mit ihr das verfügbare Einkommen stetig zunehmen.

Doch hinter der Bequemlichkeit versteckt sich eine unbequeme Wahrheit. Denn die Zeit, die wir durch dieses „Outsourcing“ unserer Ernährung sparen, tauschen wir gegen zusätzliche Pfunde auf der Waage ein.  Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass FAFH jede Menge Zucker, Salz und gesättigte Fettsäuren enthält. Bei einem durchschnittlichen Erwachsenen erhöht sich die tägliche Energiezufuhr mit nur einem Ausserhausverzehr pro Woche um ca. 134 Kalorien – auf das Jahr gerechnet macht das 1 kg mehr auf der Waage.2

Auch aus ökologischer Sicht hat die Bequemlichkeit ihren Preis. Studien belegen, dass FAFH zu Lebensmittelverschwendung beiträgt, deren CO2-Bilanz schlechter ist als die Indiens, dem drittgrössten CO2-Verursacher der Welt.

Allein in Grossbritannien werfen Schnellrestaurants mehr als 1 Million Tonnen Lebensmittel weg. Um diese Menge zu produzieren, sind rund 1,2 Milliarden Kubikmeter Wasser nötig – ein Drittel dessen, was die Haushalte innerhalb eines Jahres verbrauchen.3

Trotz der gesundheitlichen und ökologischen Vorteile wird es wohl schwierig sein, die Verbraucher davon zu überzeugen, dass sie häufiger zu Hause essen sollten, denn die Haushaltsstrukturen und der Lebensstil entwickeln sich in eine andere Richtung.

Stattdessen setzt die Lebensmittelbranche nun auf innovative Technologien – auf Verfahren aus pharmazeutischen, biochemischen und medizinischen Labors – um den Gehalt an Mikronährstoffen zu erhöhen, die Haltbarkeit zu verlängern und die Umweltbilanz von ausser Haus zubereiteten und verzehrten Gerichten und Snacks zu verbessern.

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Nährwertangaben eines Impossible Burger. Quelle: Impossible Food

Wie frisch vom Rind – nur besser 

Burger, Chicken Nuggets, Pizza und Pommes... Allzu oft werden diese beliebten Imbisse zum Mitnehmen in riesigen Portionen serviert und enthalten jede Menge Fett und Zucker.

Lisa Young, ausserordentliche Professorin für Ernährungswissenschaft an der New York University, hat in Untersuchungen herausgefunden, dass die Portionen von Fast-Food-Ketten heute zwei- bis fünfmal grösser sind als noch vor 20 Jahren. „Es besteht ein ganz eindeutiger Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Übergewicht und den Portionsgrössen“, erklärt sie.

Darüber hinaus enthalten Fast Food, Imbiss & Co. tendenziell häufiger Fleisch, und die Fleischproduktion stellt eine erhebliche Belastung für das Ökosystem dar: Die Viehzucht ist für 15 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich (und damit für mehr als der Verkehrssektor mit seinen 13 Prozent) und steht für gut 29 Prozent des weltweiten Süsswasserverbrauchs.

Die Fleischproduktion trägt zudem in wesentlichem Masse zur Abholzung von Wäldern, zur Bodendegradation und zur Wasserverschmutzung bei und ist die Hauptursache von Antibiotikaresistenzen und Virusepidemien wie der Vogelgrippe.4

Die Welt vom Fleisch zu entwöhnen – das ist das Ziel des Start-up-Unternehmens Impossible Food mit Sitz im Silicon Valley. Es nutzt ein innovatives wissenschaftliches Verfahren, um einen pflanzlichen Burger herzustellen, der „blutet“ und brutzelt wie ein echter Burger aus Rindfleisch. Sein Hauptbestandteil ist das sogenannte „Häm“ – ein Eiweissmolekül, das dem Fleisch seinen unverwechselbaren Geschmack verleiht.

Impossible Food produziert Häm, indem es gentechnisch veränderte Hefe aus Sojaprotein fermentiert, und ist dank Massenproduktion in der Lage, seine Burger zu einem konkurrenzfähigen Preis anzubieten (Restaurants in den USA bieten sie für rund 16 USD pro Stück an).

Burger dieser Art schonen die natürlichen Ressourcen: Wissenschaftliche Lebenszyklusanalysen haben ergeben, dass für einen Impossible Burger nur 25 Prozent des Wassers, 5 Prozent des Bodens und 13 Prozent der CO2-Emissionen nötig sind, die bei einem Burger aus Rindfleisch anfallen.5 Auch gesundheitlich hat er die Nase vorn: Er enthält keinerlei Cholesterin.

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Kultivierter Rindfleisch-Burger. Quelle: Mosa Meat

Mit einem ähnlichen Experiment beschäftigt sich das niederländische Start-up-Unternehmen Mosa Meat. Es kultiviert Rinderzellen, um Fleisch zu produzieren, das sich auf molekularer Ebene nicht von Rindfleisch unterscheidet, allerdings eine deutlich bessere Umweltbilanz hat. Aus einer kleinen Zellprobe eines Rinds lassen sich 800 Millionen Stränge künstlichen Muskelgewebes heranziehen – genug für 80.000 Viertelpfünder.

Mosa plant, seine schlachtfreien Burger innerhalb der nächsten Jahre für 9 USD pro Stück auf den Markt zu bringen. 

Doch nicht nur Fleisch bekommt dank Hightech ein neues Gesicht. Finless Foods aus San Francisco setzt auf Zellkulturtechnologien, um Zellen von Meereslebewesen zu züchten und so frischen Blauflossen-Thunfisch herzustellen, der nicht mit Quecksilber oder anderen Schadstoffen belastet ist. Das Schweizer Biotech-Unternehmen Evolva wiederum geht den Mangel an Vanille an – die Produktion echter Vanille trägt zur Abholzung der Wälder bei – indem es das Gewürz mithilfe von petrochemischer Hefe kultiviert.

Wieder andere Agrarforscher setzen die als CRISPR-Cas9 bekannte Methode des Gene Editings ein, um Nahrungspflanzen zu optimieren: Sie verändern Weizen, um den Glutengehalt zu senken, oder Kartoffeln, um Bakterien auszumerzen oder die Haltbarkeit zu verlängern.

Bereits 1931 prophezeite Winston Churchill: „Wir werden von dem Aberwitz abkommen, ein ganzes Huhn zu züchten, um die Brust oder den Flügel zu essen“ und stattdessen „künstliche Nahrungsmittel produzieren, die von vornherein praktisch nicht von natürlichen Produkten zu unterscheiden sein werden“. Es mag etwas länger gedauert haben, als sich der grosse britische Staatsmann das vorgestellt hatte, doch nun ist der Tag endlich gekommen. 

[1] US-Landwirtschaftsministerium
[2] US-Landwirtschaftsministerium, The Impact of Food Away From Home on Adult Diet Quality, Februar 2012
[3] Waste and Resources Action Programme
[4] Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation
[5] Goldstein B, Moses R, Sammons N, Birkved M (2017) Potential to curb the environmental burdens of American beef consumption using a novel plant-based beef substitute. PLoS ONE 12(12): e0189029. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0189029

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