Holz wird zum Hightech-Material

Dank modernster Technik erlebt Holz als Werkstoff aktuell ein Comeback, und das nicht nur in der Architektur, sondern überraschenderweise auch in Lebensmittelverpackungen, Zement und der Ölindustrie.

Immer wenn über die Auswirkungen menschlichen Lebens auf den Planeten diskutiert wird, wendet sich das Gespräch unweigerlich dem Thema zu, wie wir mit den Regenwäldern der Welt umgehen.  

Nach wie vor holzen wir Jahr für Jahr riesige Waldgebiete ab. Seit 1990 wurde auf diese Weise laut der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) eine Waldfläche von der Größe Südafrikas vernichtet. 

Aktivitäten wie die illegale Abholzung, die Entwaldung zur Schaffung landwirtschaftlicher Flächen und der Verbrauch von Brenn- und Feuerholz in den Haushalten lassen darauf schließen, dass die Nutzung von Holz auch künftig ein Synonym für die Zerstörung der Umwelt sein wird.

Wer deshalb jedoch Holz als nicht nachhaltigen Werkstoff bezeichnet, tut ihm unrecht. 

Denn Holz ist ein vielseitiges, leicht zu verarbeitendes (und wiederzuverwendendes) und zudem noch ästhetisch ansprechendes Naturprodukt, das wenn gefällte Bäume ersetzt und die Wälder und Waldflächen sorgfältig gemanagt werden, nahezu unerschöpflich ist. 

Mit der neuen Holztechnologie ist Holz ebenso stabil, haltbar und feuerresistent wie Stahl. Und das ist noch nicht alles. Ersetzt man andere Baumaterialien wie Beton, Ziegel oder Klinkersteine durch einen Kubikmeter Holz, dann ergibt sich daraus eine CO2-Einsparung von einer Dreiviertel- bis zu einer ganzen Tonne. Holz speichert Kohlenstoff, statt wie künstlich hergestellte Materialien bei der Produktion Unmengen fossiler Brennstoffe zu verbrauchen und schädliche Emissionen freizusetzen. Wie eine Studie der Timber Development Association in Australien zeigt, gilt für viele Gebäudearten, dass Gebäude aus Holz um 10 bis 15 Prozent kosteneffizienter sind als andere Materialien.

An den Architekten ist diese Erkenntnis nicht vorbeigegangen. 

Das Fachwerk erlebt derzeit eine Renaissance. Es wird heute in 70 Prozent aller neu gebauten Häuser weltweit verwendet. Die fortschreitende Entwicklung neuer Technologien bedeutet auch, dass Holz nun wieder häufiger das Stadtbild prägen wird. Überall auf der Welt werden immer höhere und größere Gebäude aus Holz gebaut, geplant oder entwickelt.

Holzgebäude mit 30 Geschossen 

Das Angebot, das den Zuschlag für das neue Stadion des britischen Fußballvereins Forest Green Rovers mit 5000 Plätzen erhielt, baut zu hundert Prozent auf Holz. Das von Zaha Hadid Architects entworfene Projekt wird das umweltfreundlichste Stadion auf der ganzen Welt sein. Es wird aus nachhaltigen Energiequellen mit Strom versorgt und in einem neu geschaffenen Naturschutzgebiet gebaut.

Im norwegischen Bergen hat eine führende Wohnungsbaugenossenschaft gezeigt, dass die Bedenken über die Brandsicherheit und Stabilität längst überholt sind, die dazu führten, dass Holzgebäude immer nur auf einige Stockwerke beschränkt wurden. Der 14-geschossige Wohnblock "Treet" von BOB BBL ist das höchste Holzgebäude der Welt. “Treet ist ein Leuchtturmprojekt, mit dem wir zeigen wollen, wie nachhaltiges Städtewachstum möglich ist," erklärt der leitende Projektmanager und Entwickler Ole Herbrand Kleppe. 

Das Bauwerk mit 62 Wohnungen stützt sich auf ein ausgeklügeltes modulares Design und ein Hightech-Holzprodukt: Brettschichtholz (BSH), das konsistente Qualität und Stabilität, Tragfähigkeit und kalkulierbare Brandeigenschaften bietet. Kleppe prognostiziert, dass "die Technologien und das Knowhow aus diesem Projekt den Bau ähnlicher Gebäude mit 25 bis 30 Etagen möglich machen wird".

Fenster, Verpackungen und Solarzellen

Die Auferstehung von Holz im modernen Leben macht bei der Architektur nicht Halt. Auch in neuen künstlichen Materialien wie porösen Keramiken macht man sich die Eigenschaften und die Struktur von Holz zunutze. Sie könnten in Zukunft als Katalysatorträger oder Wärmetauscher oder sogar als Implantate zum Einsatz kommen, um Knochenkrankheiten bei Senioren zu behandeln. 

Wissenschaftler am schwedischen KTH Royal Institute of Technology haben sogar ein Verfahren entwickelt, um durchsichtiges Holz herzustellen, das Solarzellen, Fenster oder Kunststoffprodukte ersetzen könnte. Aus dünnen Streifen Holzfurnier wird das braune Lignin herausgelöst und durch ein Polymer ersetzt, um ein nahezu vollständig transparentes Komposit herzustellen. Zurzeit wird dieses Holz nur im Labor hergestellt. Die nächste Herausforderung ist es, die Technologie auszuweiten und das teure Produktionsverfahren erschwinglich zu machen.

Noch bis vor Kurzem stellten die Kosten auch ein Problem für die Weiterentwicklung eines anderen Materials auf Holzbasis dar, der Nanocellulose. Cellulose ist der Grundbaustein von Holz und vielen weiteren Naturprodukten: "Baumwolle, Flachs, Hanf und Zellstoff bestehen allesamt aus Cellulosefasern", so Mikael Lindstrom, Seniorwissenschaftler bei Innventia, einer staatlichen Forschungseinrichtung für Forstrohstoffe in Schweden. Wenn Cellulose so aufbereitet wird, dass ihre Größe in mindestens einer Dimension unter 100 Nanometern beträgt, bildet sich daraus Nanocellulose, ein neuartiges Material, das  elektrisch leitfähig, steifer als Kevlar und achtmal so fest wie Stahl ist.

Die als nächste große Technologie gepriesene Nanocellulose könnte von der biologisch abbaubaren Lebensmittelverpackung über flexible Elektronik und leichte, recyclingfähige Fahrzeugteile bis zur biologisch abbaubaren Gebäudeisolierung nahezu überall zur Anwendung kommen und zudem als stabilisierender Zusatz für Zement genutzt werden.

Innventia hat bei der Kommerzialisierung der Nanocellulose enorme Fortschritte gemacht. So konnte der Energieverbrauch bei der Herstellung von Nanocellulose durch eine chemische beziehungsweise enzymatische Vorbehandlung um 98 Prozent gesenkt werden. Da das Herstellungsverfahren nun ähnlich wenig Energie verbrauchte wie die Herstellung von Polypropen – der am zweithäufigsten produzierte synthetische Kunststoff – ermutigte diese Innovation das Unternehmen, im Jahr 2011 die erste Pilotanlage zur Herstellung von Nanocellulose mit einer Kapazität von 100 Kilogramm pro Tag in Betrieb zu nehmen. Seit Kurzem besteht eine Kooperation mit BillerudKorsnäs, einem Hersteller erneuerbarer Verpackungen, um eine mobile Demonstrationsanlage für Industriezweige ohne eigene Testmöglichkeiten zu bauen.

Auf der anderen Seite der Welt führt das kanadische Unternehmen CelluForce den Weltmarkt bei der Produktion einer besonders viel versprechenden Form der Nanocellulose an, der nanokristallinen Cellulose (NCC). “Cellulose verfügt über genau die Eigenschaften, die wir an Holz und Papier so schätzen," erläutert Richard Berry von CelluForce. “Aber die eigentliche Stärke dieser Faser liegt in der nanokristallinen Cellulose." Tatsächlich wird die nanokristalline Cellulose auch als das Kohlenstoff-Nanoröhrchen aus der Natur bezeichnet. Sie verspricht, über viele Eigenschaften der Kohlenstoff-Nanoröhrchen zu verfügen, ist jedoch gesundheitlich unbedenklicher und kostengünstiger.  "Jetzt, wo große Mengen für einen fairen Preis verfügbar sind, beginnt erst die richtige Verwertung!", ergänzt Lindstrom.