Ein Material, das die Welt retten wird?

Metallorganische Gerüste sind Verbindungen, von denen sich Forscher die Lösung grosser Probleme versprechen: Sie sollen in der Wüste Wasser produzieren, Treibhausgase aus der Luft entfernen und die Speicherung gefährlicher Gase sicherer machen.

Die Wüste Arizonas ist trocken. Sehr trocken. Jeder, der hier ohne Wasser festsitzt, würde innerhalb von drei Tagen an Dehydrierung sterben.

Es sei denn natürlich, er hätte einen von Omar Yaghis innovativen Wassergeneratoren. Tagsüber liegt die Luftfeuchtigkeit bei lediglich 10 Prozent, doch nachts steigt sie auf 40 Prozent an. Das bedeutet, dass in der Atmosphäre genügend Wasser vorhanden ist, um Leben zu ermöglichen – sofern es gelingt, es in eine flüssige Form zu bringen.

Und genau hier kommt Yaghis Gerät ins Spiel. Dieser Kasten aus Plexiglas, der sich in einem weiteren Kasten befindet und etwa so gross ist wie eine Mikrowelle, soll die nächtliche Feuchtigkeit aus der Luft saugen und sie am nächsten Tag allein mit der Wärme der Sonne als Energiequelle in Trinkwasser verwandeln. Das Geheimnis dahinter ist ein Pulver, das als metallorganisches Gerüst (Metal-Organic Framework, MOF) bezeichnet wird und das bei normalen Temperaturen Wasser anzieht und an die Oberfläche seiner inneren Poren bindet. Wird es erwärmt, wird das Wasser wieder freigesetzt. Bei jeder „Wasserernte“ entsteht so ein Drittel einer Tasse reines Trinkwasser.

„Mit einigen Weiterentwicklungen könnte ein Gerät so gross wie eine Waschmaschine genügend Wasser produzieren, um den Grundbedarf eines Haushalts zu decken“, so Yaghi, Chemiker an der University of California, Berkeley.

Einem Drittel der Weltbevölkerung fehlt es an sauberem Trinkwasser – für diese Menschen könnte ein solches Gerät lebensrettend sein. Doch MOFs können noch viel mehr.

Diese kristallinen Strukturen aus Metallen wie Aluminium oder Magnesium, die durch organische Moleküle miteinander verbunden sind, lassen sich zu Materialien mit einem aussergewöhnlich hohen Absorptionsvermögen verarbeiten, deren Oberflächen bestimmte Moleküle anziehen. So können sich MOFs an eine Reihe von Flüssigkeiten und Gasen anheften. Aus ihnen lassen sich aber auch effizientere Katalysatoren herstellen, beispielsweise für die Elektrolyse.

Ihre Funktion verdanken die MOFs ihrer besonderen Struktur, die sich durch eine Fülle an winzig kleinen Hohlräumen im Nanometerbereich auszeichnet. Um dies zu veranschaulichen, lohnt sich ein Vergleich: Ein MOF so gross wie ein Zuckerwürfel verfügt über so viele Poren, dass sie ausgebreitet die Fläche von sechs Fussballfeldern abdecken würden. MOFs sind zudem äusserst stabil, leicht und vielseitig: Ihre molekulare Anatomie lässt sich so verändern, dass sie bestimmte Moleküle wie etwa Wasser anziehen, und ihre Poren können so gestaltet werden, dass sie diese Moleküle optimal speichern. Setzt man sie etwas Wärme oder Druck aus, geben die MOFs die gespeicherten Moleküle wieder frei. Bereits mehr als 70.000 verschiedene MOFs wurden für verschiedene Anwendungen produziert.

Yaghis Prototyp eines Wasser generierenden MOFs wurde aus dem wertvollen Metall Zirkonium hergestellt, doch das nächste Modell wird aus Aluminium bestehen, was die Skalierung kostengünstiger macht und ein enormes Vermarktungspotenzial bietet.

„Wir freuen uns schon darauf, den nächsten Prototyp des Wassergenerators im Death Valley in Kalifornien zu testen“, so Yaghi.

Das Material einer nachhaltigeren Zukunft

MOFs können aber nicht nur dazu beitragen, das Problem der Wasserknappheit zu lösen, sondern auch helfen, überschüssige Treibhausgase zu reduzieren.

Im April dieses Jahres erreichte die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre den höchsten Wert der vergangenen 800.000 Jahre. Aktuelle Untersuchungen geben nun jedoch Anlass zu der Hoffnung, dass MOFs dieser Gefahr für das Ökosystem der Erde möglicherweise entgegenwirken könnten.

Ein internationales Team unter der Leitung von Chemikern der britischen University of Manchester berichtete 2018 in der Fachzeitschrift Nature Materials, ein aluminiumbasiertes MOF entwickelt zu haben, das unter normalen Umgebungsbedingungen in der Lage ist, ein anderes schädliches Gas – Stickstoffdioxid – selektiv, reversibel und wiederholt aus der Atmosphäre zu entfernen. Diese Entdeckung könnte den Weg für Luftfiltertechnologien bereiten, die grosse Mengen anderer Gase wie etwa Kohlendioxid einfangen und umwandeln können, um so die Luftverschmutzung zu reduzieren.

„MOFs sind sehr interessant, denn typisch für sie ist, dass sie stark mit anderen Molekülen interagieren, die man aus der Atmosphäre entfernen möchte“, so Sihai Yang, einer der federführenden Autoren der Studie und Experte für anorganische Chemie am Institut für Chemie der Universität Manchester. „Dieses Material ist das erste Beispiel eines MOF, das die in hohem Masse reversible und selektive Fähigkeit besitzt, Stickstoffdioxid aus der Luft zu binden, und zwar selbst in Gegenwart von Wasser.“

Grosses Vermarktungspotenzial