Die neue Welle der alternativen Energien

Die Weltmeere verfügen über ein enormes Potenzial an erneuerbarer Energie – und inzwischen gibt es eine Möglichkeit, einige der Probleme zu lösen, die der Nutzung der Wellenenergie bisher im Wege standen.

Im Wettlauf um die Erzeugung erneuerbarer Energien wurde eine Energiequelle bisher weitgehend vernachlässigt: das Meer. Eine Schande, haben seine Wellen dem World Energy Council zufolge doch das Potenzial, doppelt so viel Strom zu liefern, wie die Welt aktuell produziert.

Dank zwei israelischer Unternehmer sind wir der Ausschöpfung dieses Potenzials jetzt womöglich einen Schritt näher gekommen. Die beiden haben eine Technologie entwickelt, mit der Energie aus Wellen gewonnen und in Strom umgewandelt werden kann.

„Es ist ein sehr einfaches System. 90 Prozent der Anlage befinden sich an Land und nur 10 Prozent im Wasser“, sagt Inna Braverman, die Eco Wave Power zusammen mit David Leb gegründet hat.

Dass der Grossteil der Anlage an Land steht, beugt einigen der Probleme vor, die der Nutzung der Wellenenergie bisher im Wege standen: hohe Installations- und Wartungskosten, das hohe Korrosionsrisiko und potenziell negative Auswirkungen auf das Leben im Meer.

„Es sind keine Boote oder Taucher nötig und auch der Zugang für die Wartung stellt kein Problem dar – anders als bei Konkurrenztechnologien zur Stromerzeugung im Meer, die hauptsächlich im Offshore-Bereich betrieben werden. Und im Gegensatz zur Solarenergie kann auch nachts oder in verschmutzter Atmosphäre Strom erzeugt werden.“

Das EWP-System basiert auf einfachen Schwimmkörpern, die an Strukturen an Land wie etwa Wellenbrechern befestigt werden. Sie heben und senken sich mit den Wellen und erzeugen so hydraulischen Druck, der zu Gebäuden an Land geleitet werden kann, um Motoren anzutreiben und Strom zu erzeugen. Ein intelligentes Automationssystem reguliert den Prozess so, dass eine gleichmässige Stromerzeugung sichergestellt ist, und speist den Strom in das Netz ein: Wird die See zu rau, können die Schwimmkörper angehoben oder abgesenkt werden, um sie vor Schäden zu bewahren.

Zehn Schwimmkörper bilden zusammen ein Stromerzeugungsmodul, das in der Lage ist, ein Megawatt Strom zu erzeugen – genug, um etwa 1.000 Haushalte zu versorgen. Die Schwimmkörper können an verschiedenste Bauwerke angebracht werden, etwa an Piers, Seebrücken, Plattformen oder auch Wellenbrecher, und lassen sich in Grösse und Anordnung an die räumlichen und klimatischen Gegebenheiten anpassen.

Ein Pilotprojekt ist bereits in Gibraltar in Betrieb, wo die Anlage ihre Widerstandsfähigkeit bei Sturm unter Beweis gestellt hat. Mit einer anfänglichen Kapazität von 100 kW stellt sie die erste kommerzielle Wellenenergieanlage Europas dar, die das Netz mit Strom beliefert.

Braverman und Leb blicken optimistisch in die Zukunft. Innerhalb der nächsten fünf Jahre wollen sie 130 MW an Kapazitäten installieren und die Kapazität von Gibraltar so weit steigern, dass 15 Prozent des Strombedarfs des Überseegebiets durch Wellenenergie gedeckt werden können. Ausserdem sind Projekte in Israel, Mexiko und China geplant. Der Grossteil der Anlagen kann aus lokal produziertem Stahl gefertigt werden. Nur das intelligente Betriebssystem wird aus Israel importiert. Ist die Anlage erst einmal installiert, kann sie nach entsprechender Schulung von der Lokalbevölkerung gewartet werden.

Und – was ganz entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Projekts ist – verglichen mit der Solarenergie ist die Wellenenergie bereits jetzt preislich konkurrenzfähig, und durch Skaleneffekte lassen sich die Kosten noch weiter senken. Da die Dichte des Wassers 800-mal höher ist als die Dichte der Luft, können mit viel kleineren Anlagen viel grössere Mengen an Strom erzeugt werden. In Israel zum Beispiel könnten an den 3,5 Kilometer langen Wellenbrechern des Landes Wellenenergiegeneratoren mit einer Leistung von 50 MW installiert werden – genug, um 50.000 Menschen mit Strom zu versorgen.

Angesichts der Tatsache, dass etwas mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung weniger als 200 km vom Meer entfernt lebt, hat die Wellenenergie das Potenzial, zu einer der wichtigsten Energiequellen aufzusteigen, meint Leb: „Sie wird zum erneuerbaren Energiemix gehören, zusammen mit der Solarenergie, der Windenergie, Biokraftstoffen und anderen Energiequellen – es wird nicht nur den einen Energieträger wie fossile Brennstoffe geben.“