Erneuerbaren Energien neues Leben einhauchen

Grüne Technologien haben es schon weit gebracht. Die nächste Herausforderung für das US-amerikanische National Renewable Energy Laboratory besteht darin, Methoden für das Recycling der Recyclinginfrastruktur zu entwickeln.

Die Branche der erneuerbaren Energien steht vor einem grossen Problem. Die Energie, die sie erzeugt, mag erneuerbar sein, doch die von ihr genutzte Infrastruktur ist es noch lange nicht.

In den vergangenen zehn Jahren konnten dank neuer Verbundmaterialien riesige Rotorblätter für Windkraftanlagen gebaut werden. Manche von ihnen sind inzwischen länger als die Spannweite einer Boeing 747. Mit der Grösse der Rotorblätter sind auch die Kosten für ihren Transport gestiegen. Wenn Windparkbetreiber alte Rotorblätter ersetzen müssen, ist es inzwischen oft günstiger, sie danach einfach auf der Erde liegen zu lassen.

Dieser Müll ist Anhängern grüner Technologien ein Dorn im Auge, und das Problem betrifft nicht allein die Windkraft. Für eine dezentralisierte Energieerzeugung und Mikronetze sind Batterien nötig, deren Entsorgung schwierig ist. In Solarparks kommen Module zum Einsatz, die schwer bis gar nicht zu recyceln sind.

Nach Ansicht von Martin Keller, dem Leiter des US-amerikanischen National Renewable Energy Laboratory (NREL) in den Rocky Mountains Colorados, muss etwas gegen diesen Widerspruch unternommen werden, wenn die grünen Technologien halten wollen, was sie versprechen. Um Lösungen für diese Probleme zu finden, richtet er das einflussreiche nationale Forschungslabor grundlegend neu aus.

„Die Wiederverwendung der zur Energieerzeugung genutzten Materialien muss schon bei ihrer Entwicklung eingeplant werden“, so Keller. Dies wäre ein wichtiger Schritt hin zu einer Kreislaufwirtschaft, also einer Welt ohne Müll, in der Materialien immer und immer wieder verwendet werden.

Seit seiner Gründung in den 1970er Jahren leistet das NREL mit seiner Arbeit einen massgeblichen Beitrag zum weltweiten Durchbruch von Solarenergie, Mikronetzen, Perowskiten, Biomasseanlagen und anderen grünen Technologien. Ohne die Forschung des NREL an Verbundmaterialien wäre die Herstellung der immer riesigeren Rotorblätter, die nun achtlos auf den Feldern liegen gelassen werden, in dieser Form wohl gar nicht möglich gewesen.

Keller hat den Forschungsauftrag des NREL ausgeweitet und dafür gesorgt, dass es sich nicht mehr nur mit der Entwicklung hochmoderner Materialien, sondern auch mit der Minimierung des durch sie generierten Abfalls beschäftigt. Sein ehrgeiziger Plan ist es, ein Bewusstsein zu schaffen, das dazu führt, dass die in Produkten eingesetzten Materialien – nicht nur in der Energiebranche, sondern in Konsumgütern generell – zurückgewonnen und für einen neuen (in der Regel besseren) Zweck wiederverwendet werden.

Nehmen wir die Rotorblätter von Windkraftanlagen als Beispiel. Die Verbundmaterialien, aus denen sie bestehen, sind leicht und widerstandsfähig und ermöglichen eine effiziente Energiegewinnung. Doch gleichzeitig ist es auch unmöglich, sie zu recyceln. Um das zu ändern, forscht das NREL derzeit an alternativen Materialien. Ein vielversprechender Ansatz ist die Fertigung von Rotorblättern aus thermoplastischen Kunststoffen, die nach der Erwärmung formbar sind, beim Abkühlen aber aushärten. Thermoplastische Rotorblätter könnten direkt am Einsatzort hergestellt und am Ende ihrer Nutzungsdauer eingeschmolzen und einem neuen Zweck zugeführt werden.

„Warum setzen wir nicht neue Materialien ein, damit alte Rotorblätter noch eine Chance bekommen und wiederverwendet werden können?“, fragt Keller.

Ein neues Leben für Kunststoffe

Im breiten Spektrum der Forschungsaktivitäten des NREL spielen die Wiederverwendung und das Recycling von Kunststoffen eine wichtige Rolle. „Der Kunststoff, der in einer Flasche steckt, besteht aus komplexen Molekülen. Warum können wir ihn nicht in Stücke häckseln und daraus noch einmal die gleiche Flasche herstellen?“, so Keller.

Genau das versucht Gregg Beckham, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am NREL, indem er sich mit biologischem und nicht mit mechanischem Recycling beschäftigt.

Einwegkunststoffe aus PET (Polyethylenterephthalat) werden in der Regel zu kleinen Flakes verarbeitet und dann eingeschmolzen, um neues PET herzustellen. Doch dieses neue Material ist von schlechterer Qualität und damit weniger brauchbar und weniger wertvoll als das Original. Beckham, ein vielfach ausgezeichneter Chemiker, arbeitet an Verfahren zur Herstellung von recyceltem Kunststoff, der genauso widerstandsfähig oder sogar noch widerstandsfähiger als das Original ist.

Mit einem internationalen Team von Kollegen hat Beckham eine effizientere, synthetische Version eines Enzyms geschaffen, das in der Lage ist, PET aufzuspalten. Das ursprüngliche Enzym stammt von Bakterien, die vor Kurzem in der Umgebung eines japanischen Recyclingwerks im Boden entdeckt wurden – den ersten bekannten Bakterien, die Kunststoff abbauen. Doch dieses Enzym, PETase, kann PET nicht schnell genug aufspalten, um es im grossen Massstab einzusetzen. Die synthetische Version, eine Zufallsentwicklung des Teams, arbeitet schneller und effizienter, und durch den Abbauprozess des Enzyms ist auch die Herstellung noch widerstandsfähigerer Verbundmaterialien wie Kevlar möglich. Die Machbarkeit hat Beckham bereits unter Beweis gestellt. Nun muss er nachweisen, dass das Enzym auch im grossen Massstab einsetzbar ist.

Die Wende hin zu einer Kreislaufwirtschaft kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Kooperationen zwischen staatlichen Forschungseinrichtungen und grossen Unternehmen bieten eine Möglichkeit, diesen Prozess zu beschleunigen.

Letztlich, so Keller, werden die nächsten fünf bis zehn Jahre „entscheidend dafür sein, welche neuen Geschäftsmodelle aus dieser Entwicklung hervorgehen“. Recyclingtechnologien stecken noch in den Kinderschuhen, doch ihr Potenzial ist enorm. „Wir leben in spannenden Zeiten.“