Autonomes Fahren: Eine Reise, die gerade erst begonnen hat

Einst als Stoff von Science-Fiction-Filmen abgetan, wird die Technologie selbstfahrender Autos inzwischen zunehmend zu einem Bestandteil unseres Alltags.

Im Fernseh-Klassiker „Knight Rider“ aus den 1980er Jahren begeisterte der pechschwarze KITT die Zuschauer als verlockende Vision des Autos der Zukunft – vollständig selbstfahrend und mit einer Reihe sagenhafter Fähigkeiten ausgestattet, unter anderem mit einem Turbo-Boost, einem medizinischen Scanner, einem Lügendetektor und sogar einem trockenen Sinn für Humor.

Drei Jahrzehnte später sind zu Gefühlen fähige Fahrzeuge zwar immer noch Science Fiction, selbstfahrende Autos jedoch keineswegs. Das in „I, Robot“ dargestellte Szenario – in dem Will Smith ein Nickerchen macht, während sein silberner Audi RSQ geschmeidig den Highway entlangdüst, und dann schliesslich selbst wieder das aus dem Armaturenbrett fahrende Steuer übernimmt – könnte schon in wenigen Jahren Wirklichkeit werden. Und mit ihm auch selbstfahrende Busse und autonome Langstrecken-Lkw.

Auch auf den Luftraum greift die Revolution der autonomen Fahrzeuge über: Drohnen zur Zustellung aller möglichen Dinge von Paketen bis hin zu Spenderorganen, zur Überwachung des Wachstums von Ackerpflanzen, zum Kartografieren und Fotografieren schwer zu erreichender Gebiete und für viele weitere Anwendungsbereiche werden entwickelt.

Prognosen des Beratungsunternehmens McKinsey zufolge werden 15 Prozent der im Jahr 2030 weltweit verkauften Pkw vollkommen autonome Fahrzeuge sein, während sich der Umsatz der Automobilbranche dank Shared Mobility (Carsharing, Taxi-Apps) und Data-Connectivity-Diensten (z. B. Apps und Fahrzeugsoftware-Upgrades) auf 6,7 Billionen USD erhöhen und damit nahezu verdoppeln könnte.1

Natürlich sind auf dem Weg dorthin noch viele Hürden zu nehmen. So sind zum Beispiel neue Gesetze und Versicherungsstrukturen nötig. Und dann ist da noch das Problem der menschlichen Fehlbarkeit. Selbst mit der modernsten der aktuell verfügbaren Automationstechnologie sind Autos im Notfall immer noch auf das Eingreifen des Menschen angewiesen.

Forscher der Universität Leeds haben mithilfe von Fahrsimulatoren gemessen, wie lange es dauert, bis Personen in unterschiedlichen Szenarien wieder die Kontrolle über ihr Auto übernommen haben, unter anderem bei Nebel, mit teilweise verdecktem Armaturenbrett und wenn die Teilnehmer gleichzeitig andere Aufgaben ausführten.

„Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Fahrer mindestens sechs Sekunden im Voraus gewarnt werden müssen“, sagt Tyron Louw vom Institut für Verkehrsstudien der Universität Leeds.

„Menschen sind nicht in der Lage, ihre Aufmerksamkeit dauerhaft auf etwas zu richten, das ihre Aufmerksamkeit nicht dauerhaft erfordert. Wenn man immer den gleichen Weg zur Arbeit fährt und das Auto zu 80–95 Prozent keine Probleme hat, dann fängt man an zu glauben, das Auto sei intelligenter, als es eigentlich ist.“

Im nächsten Schritt wollen die Forscher untersuchen, ob die Fahrer ihre Reaktion auf das konkrete Szenario abstimmen. „Wir wollen nicht, dass die Fahrer eine Vollbremsung machen, vor allem nicht, wenn sie mit 160 Kilometern pro Stunde auf einer Autobahn unterwegs sind. Dadurch würden mehr Unfälle verursacht als verhindert.“

Sprechende Fahrzeuge

Doch selbst wenn sich die endgültige Vermarktung selbstfahrender Fahrzeuge aufgrund technologischer, regulatorischer und ethischer Probleme über das Jahr 2020 hinaus verzögern sollte – das teilautomatisierte Fahren ist dank der Einführung und stetigen Weiterentwicklung von Fahrerassistenzsystemen (FAS)2 bereits in der Gegenwart angekommen. Es wird damit gerechnet, dass das Volumen dieses Markts bis 2020 auf 34 Milliarden USD anwächst – was einer jährlichen Wachstumsrate von 40 Prozent entspricht – während sich die weltweite Marktdurchdringung gleichzeitig auf 48 Prozent verdreifacht.3

Zwar ist es unwahrscheinlich, dass Ihr Auto Ihnen bald Witze erzählen wird, wie KITT es getan hat, doch es ist durchaus möglich, dass es bald in der Lage sein wird, Ihre Stimme oder Ihre Gesten zu erkennen und mit anderen Fahrzeugen oder sogar mit Rettungsdiensten zu „sprechen“.

Die 2017er Spitzenklasse-Wagen von Cadillac und Mercedes-Benz zählen zu den ersten, die über eine solche Car-to-Car- Kommunikationstechnologie (C2C) verfügen. In der einfachsten Form ermöglicht C2C es den Autos, untereinander Daten über ihren Standort, ihre Geschwindigkeit, ihre Lenkradposition und den Zustand ihrer Bremsen auszutauschen, um sich nähernde Fahrzeuge so besser zu erkennen und die Unfallwahrscheinlichkeit zu senken. In der fortgeschritteneren Variante könnten sich Autos gegenseitig vor Staus und gefährlichen Strassenbedingungen warnen und mit Brücken und Ampeln „kommunizieren“.

Eine eCall-Funktion – die in Europa ab April 2018 für alle Neuwagen Pflicht wird – soll bei schweren Unfällen automatisch den Rettungsdienst informieren.

Die neuesten Automobiltechnologien sind bereits tief im Reich der Robotik und der Künstlichen Intelligenz verwurzelt. Mobileye, ein israelischer Hersteller von Fahrerassistenzsoftware, entwickelt zum Beispiel maschinelle Erkennungssysteme, die Fussgänger identifizieren, tote Winkel überwachen und Verkehrsschilder entschlüsseln.

Valeo aus Frankreich wiederum arbeitet an einer neuen Generation von Einparksystemen, die es den Fahrern ermöglichen sollen, das Auto zu verlassen und es dann per Smartphone zum eigenständigen Einparken aufzufordern. Im Bereich der Drohnen erproben derzeit mehrere Unternehmen unbemannte Leichtflugkörper mit dem Ziel, Kunden irgendwann automatisierte Lieferungen in nur 30 Minuten anbieten zu können.

Der Einsatz autonomer Strassenfahrzeuge als öffentliche Verkehrsmittel ist ein weiterer realistischer Meilenstein. Die britische Stadt Milton Keynes beispielsweise hat vor Kurzem eine Versuchsreihe mit dem LUTZ Pathfinder durchgeführt, der eine automatisierte Verkehrsverbindung zwischen dem Stadtzentrum und dem Bahnhof und anderen Zielen im Stadtbereich herstellen soll. Die Software, mit der das autonome Fahrzeug fährt, wurde an der Universität Oxford entwickelt und navigiert das Auto mithilfe von Kamera- und Lidar-Daten durch die Umgebung.

„Selbstfahrende Fahrzeuge werden zunächst in eingeschränkten Umgebungen wie Hochschulgeländen eingesetzt werden und sich auf kurze Distanzen konzentrieren“, sagt Rebecca Advani, technische Leiterin des Projekts bei Transport Systems Catapult (TSC).

Selbstfahrende Fahrzeuge werden zunächst in eingeschränkten Umgebungen wie Hochschulgeländen eingesetzt werden und sich auf kurze Distanzen konzentrieren.

Roboterautos dienen jedoch nicht nur als Verkehrsmittel. Auch in Werkshallen und Betrieben übernehmen sie diverse Aufgaben. So nutzt der Online-Handelsriese Amazon beispielsweise leuchtend orangefarbene Roboter, um Waren und Pakete innerhalb seiner Lagerhallen von A nach B zu bewegen. Krankenhäuser wiederum setzen auf einen Typ mobiler Maschinen, um Laborproben, Medikamente und andere Materialien zu transportieren, und sterilisieren ihre Zimmer mithilfe eines anderen, der Keime mit Licht abtöten kann. Im Energiesektor können ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge (Remotely Operated Vehicles, ROVs) in Umgebungen entsandt werden, die für den Menschen zu unwirtlich sind oder zu tief unter Wasser liegen, um dort etwa Pipelines und Bohrinseln zu inspizieren.

Eine automatisierte Zukunft

Wie wird also die Zukunft in einer Welt voller KITTs aussehen? Das wird sich zeigen. Wenn das Reisen dank automatisierter Verkehrsmittel einfacher und angenehmer wird, wären einerseits womöglich mehr Menschen bereit, die Städte zu verlassen und aufs Land zu ziehen. Andererseits könnte mit intelligenteren Fahrzeugen und verstärktem Carsharing der Bedarf an Parkplätzen sinken, sodass in Stadtgebieten mehr Wohnraum entsteht (wenn auch potenziell auf Kosten von mehr Verkehr).

Christopher Choa vom Urban Land Institute zufolge wenden Städte in den USA 50 Prozent ihres städtischen Raums für Parkmöglichkeiten auf. In Europa sind es 30 Prozent:

„Wenn wir nur einen winzigen Teil dieser Flächen in urbanen Räumen freigeben, können wir mehr Menschen in die Städte holen. Das ist die Zukunft der Städte.“


1 Automotive revolution – perspective towards 2030
2 Verkehrssicherheit ist ein Untersegment von Pictet-Security und machte zum 30.11.2016 10% des Fonds aus
3 CLSA, September 2015

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