Mensch 2.0

Klüger, gesünder, stärker: Wie Technik uns schon bald zu besseren Menschen machen könnte.

Schon seit unsere Vorfahren zum ersten Mal eine Keule in die Hand nahmen, nutzen wir „Technik“, um unsere natürlichen Fähigkeiten zu erweitern. Heute finden wir sie überall um uns herum: in unseren Autos und Flugzeugen bis hin zu unseren Smartphones und Smartwatches. Was kommt als Nächstes?

Werden wir zum Beispiel über ein implantiertes Super-Smartphone mit unseren Freunden telefonieren und gleichzeitig Echtzeit-Gesundheitsdaten an unsere Ärzte senden? So befremdlich das vielleicht auch klingt – eine Studie des Weltwirtschaftsforums prognostiziert, dass die ersten implantierbaren Mobiltelefone bereits 2023 auf den Markt kommen werden.

Oder werden wir unsere Autos und Haustüren per Fingerzeig öffnen und Körperfunktionen über individuelle Smart Tattoos tracken?

Wenn es nach dem MIT Media Lab und Microsoft Research geht, lautet die Antwort eindeutig „Ja“. Gemeinsam haben sie DuoSkin entwickelt, einen einfachen und flexiblen Herstellungsprozess für Smart Tattoos, mit dem personalisierte, auf der Haut getragene Wearables angefertigt werden können.

Seine Forschungsergebnisse stellt das DuoSkin-Team zur freien Verfügung und hofft so, dass andere damit experimentieren und attraktive Smart Tattoos entwickeln werden, die Touch-Befehle erkennen, Informationen anzeigen und drahtlos kommunizieren können.

Mit der Entwicklung solcher Technologien werden wir in nicht allzu ferner Zukunft in der Lage sein, intelligente Produkte am und im Körper zu tragen, die die menschlichen Fähigkeiten optimieren.

Dies ist eines der Ziele des Transhumanismus – einer Bewegung, die die Grenzen der menschlichen Möglichkeiten, seien sie intellektueller, körperlicher oder psychischer Natur, mithilfe moderner Technologien radikal erweitern will.

Die Konzepte des Transhumanismus mögen einst futuristisch, wirklichkeitsfremd und wie Science-Fiction angemutet haben, doch heute stehen sie kurz davor, Realität zu werden.

Vom Hilfsmittel zur Funktionsoptimierung

Die anfängliche Zielsetzung besteht bei vielen dieser Technologien darin, Menschen mit Behinderung im Alltag zu unterstützen.

So hat beispielsweise Ted Berger von der University of Southern California den ersten künstlichen Hippocampus der Welt entwickelt. Grundsätzlich ist es damit möglich, den mit Alzheimer, Schlaganfällen und Hirnschäden einhergehenden Gedächtnisverlust durch die Implantation eines Chips zu bekämpfen.

„Wir erproben ihn aktuell beim Menschen, und die Ergebnisse sind vielversprechend“, verriet er kürzlich in einem Interview. Es ist durchaus denkbar, dass der Gedächtnis-Chip auch in der allgemeinen Bevölkerung zur Verbesserung der Gedächtnisleistung eingesetzt werden könnte.

Anderenorts erforschen Wissenschaftler die Anwendung der transkraniellen Gleichstromstimulation (Transcranial Direct-Current Stimulation, tDCS) zur Behandlung verschiedenster Leiden – von Rückenschmerzen bis hin zu den Folgen der Parkinson-Krankheit und sogar Lernstörungen.

Aber auch ganz grundsätzlich könnte damit dem Gehirn auf die Sprünge geholfen werden. Zwei Studien von Wissenschaftlern der Wright-Patterson Air Force Base in Ohio kamen zu dem Ergebnis, dass die tDCS zur Verbesserung der Multitasking-Fähigkeit und zur Beschleunigung der Hirnaktivität von Personen eingesetzt werden könnte, die unter hohem Druck Leistung bringen müssen – wie zum Beispiel Piloten und Scharfschützen. Demnach wirke die tDCS doppelt so stark und dreimal so lang wie Koffein.

Doch natürlich ist beim Gehirn noch lange nicht Schluss: Auch bei Technologien zur Verbesserung der körperlichen Funktion werden enorme Fortschritte gemacht.

Wozu Menschen mit neuartigen technischen Hilfsmitteln in der Lage sind, konnte vor Kurzem beim Cybathlon in der Schweiz bestaunt werden. Bei dieser Veranstaltung bahnten sich Athleten mit Behinderung mithilfe von motorisierten Arm- und Beinprothesen, robotischen Exoskeletten und motorisierten Rollstühlen ihren Weg durch verschiedene Hindernis-Parcours und bewältigten eine Reihe alltagstypischer Aufgaben – vom Wäscheaufhängen bis hin zum Hinauf- und Hinabsteigen von Treppen. Ein US-amerikanisches Team nutzte Implantate zur elektrischen Muskelstimulation (Functional Electrical Stimulation, FES), um die Beinmuskulatur gelähmter „Piloten“ zu aktivieren, sodass diese ein Radrennen absolvieren konnten.

Auch innerhalb des Körpers gibt es Fortschritte, etwa Systeme zur Unterstützung der Sinne und künstliche innere Organe in unterschiedlichen Phasen der Entwicklung. Cochlea-Implantate, bionische Augen wie die Argus-II-Netzhautprothesen und „fühlende“ Hände wie das neuartige experimentelle System, das Forscher der Case Western Reserve University vor Kurzem in Zusammenarbeit mit dem Unterarmamputierten Igor Spetic erprobten, können einige der Sinneswahrnehmungen wiederherstellen, die Patienten bereits für unwiederbringlich verloren gehalten hatten. Gleichzeitig gibt es künstliche Nieren, Herzen, Beine und Luftröhren, die ihre geschädigten natürlichen Pendants ersetzen können – Kunstlebern und -lungen werden bald folgen.

Ethische Fragen und Risiken

Zweifellos haben viele der Technologien, die Transhumanisten derzeit erforschen, enormes Potenzial.  

Diese Chancen sind jedoch auch mit Risiken verbunden. Wenn Ihnen bei dem Gedanken an die Innovationen, die heute dank unseres immer umfangreicheren Verständnisses von Gehirn und Körper möglich sind, etwas unbehaglich zumute wird, sind Sie damit nicht allein.

Johann Roduit vom Institut für Biomedizinische Ethik der Universität Zürich meint, dass neue biomedizinische Technologien, die Veränderungen und Optimierungen des Menschen zum Ziel haben, letztlich dazu führen könnten, dass wir das Wesen des Menschen an sich infrage stellen.

„Wir stehen hier an der unscharfen Trennlinie zwischen dem Menschlichen, dem Tierischen, dem Subhumanen, dem Posthumanen, dem Transhumanen – es besteht also die Gefahr einer Entmenschlichung, oder des Entmenschlichens einer Gruppe, die solche Optimierungen vornehmen würde (oder eben nicht). Das muss sorgfältig abgewogen werden.“ 

Über

Mega

Mega möchte zur Diskussion darüber anregen und beitragen, wie wir eine besser funktionierende Wirtschaft und Gesellschaft gestalten können.

Megatrends sind starke sozioökonomische, ökologische und technologische Kräfte, die die Richtung vorgeben, in die sich unser Planet entwickelt. Die Digitalisierung der Wirtschaft, das rasante Wachstum der Städte und die Ausschöpfung der natürlichen Ressourcen der Erde sind nur einige Beispiele für strukturelle Trends, die die Art und Weise, wie Länder regiert, Unternehmen geführt und Leben gelebt werden, grundlegend verändern.

Photo of Mega