Urban Farming

„Ich will den Menschen die Produktion ihrer Lebensmittel wieder nahebringen“, sagt Max Lössl, dessen Agrartechnik-Start-up die Küche in den Acker der Zukunft verwandeln möchte.

Max Lössl war neun, als er und seine Familie nach Xi‘an im Nordwesten Chinas zogen. Seine Mutter, die auf dem Land in der Entwicklungshilfe tätig war, nahm ihn und seine Schwester häufig mit in abgelegene Dörfer am Rande der Wüste Gobi, wo sie der lokalen Bevölkerung half, Brunnen zu graben und ihre eigenen Lebensmittel anzubauen.

Lebensmittel waren ein knappes Gut. Sandstürme aus der Inneren Mongolei wüteten mit solcher Kraft, dass sie oft die Ernten vernichteten. Der Gegensatz zu Lössls Geburtsort München hätte krasser nicht sein können.

„Einige der Dörfer waren ein riesiger Schock für mich“, erklärt er. „Die Menschen lebten in Lehmhütten, die sie in den Berg hineingebaut hatten – ohne Strom und fliessendes Wasser. Sie hatten kaum etwas zu essen. Manchmal haben wir dort geschlafen. Es war das komplette Gegenteil von dem, was ich bis dahin kannte.“

Diese Erfahrungen – von Hunger auf der einen Seite und Überfluss auf der anderen – waren es, die sein Interesse an der Entwicklung nachhaltiger Formen der Lebensmittelproduktion geweckt haben. Inzwischen ist daraus das Agrartechnik-Start-up agrilution entstanden. Zudem ist Lössl Mitbegründer der Association for Vertical Farming, die heute auch internationale Konzerne wie Microsoft und IKEA zu ihren Mitgliedern zählt. 

„Ich wollte den Menschen die Produktion ihrer Lebensmittel wieder nahebringen, denn wir haben uns davon völlig entfremdet“, sagt er. „Die meisten von uns wissen nicht, wie Pflanzen in ihren verschiedenen Wachstumsphasen aussehen, weil wir alles im Supermarkt kaufen.“

Sein Hauptprodukt ist ein automatisierter erdeloser Gewächsschrank so gross wie ein Geschirrspüler. Der Schrank bietet eine Anbaufläche von etwa 0,3 Quadratmetern und reguliert die Klima- und Lichtverhältnisse, die Bewässerung und die Nährstoffversorgung der Pflanzen. Er ermöglicht die Produktion verschiedener Gemüse-, Kräuter- und Obstsorten ganz ohne Erde und kann je nach Nutzungsintensität den Bedarf von bis zu vier Personen decken. Der Wasserverbrauch ist bis zu 98 Prozent und der Düngemitteleinsatz bis zu 60 Prozent geringer und die Wachstumsgeschwindigkeit zwei- bis dreimal höher als beim herkömmlichen erdbasierten Anbau.

Greenery under purple light

Die Nutzer können über eine Smartphone-App auf die zugehörige Online-Plattform zugreifen und Profile herunterladen, die ideale Wachstumsbedingungen für die Pflanzen sicherstellen.

„Die meisten von uns wissen nicht, wie Pflanzen in ihren verschiedenen Wachstumsphasen aussehen, weil wir alles im Supermarkt kaufen“, sagt Lössl. „In der industriellen Lebensmittelproduktion liegt der Fokus auf Transportfähigkeit, Aussehen und Haltbarkeit. Uns dagegen geht es darum, den Menschen zu jeder Jahreszeit lokale, frische und gesunde Produkte zur Verfügung zu stellen, die gut schmecken und viele Nährstoffe liefern.“