Das Wettrennen um bessere Elektroautos

Die Weltklasse-Elektrorennserie Formel E ist ein Prüfstand für Technologien, die schon bald auch andere – meist langsamere – Verkehrsmittel voranbringen werden.

Die Formel E, die weltweit einzige Rennserie ausschliesslich für Elektrorennwagen, steckt mitten in ihrer fünften Saison. Der Scientific American führte ein Interview mit Sylvain Filippi, Geschäftsführer und technischer Leiter des britischen Elektromotor-Rennstalls Virgin Racing, um mehr darüber zu erfahren, wie die Formel E funktioniert und wie ihre Technologien Einzug in unseren Alltag halten könnten.

Die Formel E verkörpert die Spitze dessen, wozu die Automobiltechnik derzeit imstande ist. 

SF: Die Rennwagen der Formel E werden per Definition rein elektrisch angetrieben – völlig ohne fossile Brennstoffe. Neben den Hauptkomponenten wie dem Fahrgestell und der Federung, die mit denen anderer einsitziger Spitzenklasse-Rennwagen vergleichbar sind, besteht ein Formel-E-Auto im Wesentlichen aus dem Akku, dem Wechselrichter, dem Elektromotor, dem Getriebe, dem Differenzial, Hoch- und Niederspannungskreisläufen sowie Software und Steuerungssystemen, die alle zusammen den Antriebsstrang bilden. Die Karosserieteile und die Aerodynamik sind bei allen Teams gleich. Die Technologie-Roadmap, die die Fédération Internationale de l'Automobile (FIA) ausgegeben hat, zielt auf die Entwicklung eines möglichst effizienten und gleichzeitig extrem leichten Antriebsstrangs ab. Die Idee ist, dass das Team, das den effizientesten Antriebsstrang hat – also pro zurückgelegten Kilometer am wenigsten Energie benötigt –, auch das schnellste Auto stellt.

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Formel-E-Rennwagen können mit ihren Rivalen aus der Formel 1 noch nicht mithalten. Doch die Formel-E-Technik macht schnell Boden gut.

SF: In der ersten Saison im Jahr 2014 haben alle Teams die gleichen Fahrzeuge benutzt, damit die Meisterschaft schnell aus den Startlöchern kommt. Seit der zweiten Saison ist das Reglement jedoch offener und gestattet den Teams und Herstellern auch, eigene Antriebsstränge zu entwickeln. Im Laufe der vergangenen drei Saisons ist die Rennleistung von 150 auf 180 Kilowatt (kW) gestiegen, und im Qualifying sind 200 kW zulässig. Über den gleichen Zeitraum ist das Gewicht der Antriebsstränge um mindestens 20 Kilogramm gesunken, und die Systemeffizienz insgesamt hat sich enorm verbessert. So konnten die Rennwagen deutlich schnellere Rundenzeiten fahren, obwohl ihnen allen die gleiche Menge an Energie zur Verfügung stand – 28 Kilowattstunden.

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Die neueste Generation von Rennwagen ist leistungsstärker und ausdauernder.

SF: Unser „Gen 2“-Modell hat ein neues Fahrgestelldesign, und der Akku und der Antriebsstrang sind ebenfalls brandneu. Die Menge an gespeicherter Energie hat sich von 28 auf 52 kWh fast verdoppelt, und die Leistung hat sich noch einmal erhöht: die Rennleistung von 180 auf 200 kW und die Leistung im Qualifying-Modus von 200 auf 250 kW. Die grösste Veränderung ist, dass wir dank der höheren Energiekapazität nicht mehr zwei Rennwagen pro Fahrer und einen Boxenstopp in der Mitte des Rennens benötigen. Die Fahrer können nun die gesamte Renndistanz [45 Minuten plus eine Runde] mit nur einem Auto zurücklegen. Da sich die Leistung erhöht hat, ist es ganz logisch, dass auch die Effizienz des Antriebsstrangs weiter verbessert worden ist. All diese Entwicklungen sind sehr, sehr spannend, denn sie ebnen den Weg für die nächste Generation von Elektroautos für die Strasse, mit denen das Fahren nicht nur richtig Spass machen wird, sondern die auch über eine viel bessere Reichweite verfügen werden.

Die Technologien aus der Formel E werden schnell auf Autos für den Strassenverkehr übertragen.

SF: Die meisten grossen Automobilhersteller und -zulieferer beteiligen sich inzwischen an der Meisterschaft und nutzen die Rennwagenentwicklung als Prüfstand für hochmoderne Technologien, die – wenn sie sich erst einmal auf der Rennstrecke bewährt haben – auf die Fertigung von Fahrzeugen für die Strasse übertragen werden. Deshalb konzentriert sich die Technologie-Roadmap der FIA auf die Effizienz der Antriebsstränge, denn sie spielt eine wichtige Rolle bei dem, was die Automobilhersteller für ihre Strassenfahrzeuge entwickeln: hocheffiziente Antriebsstränge. Das bedeutet, dass Elektroautos mit einer bestimmten im Akku gespeicherten Menge an Energie weitere Strecken zurücklegen können. Da gleichzeitig auch die Energiedichte der Akkus steigt, nimmt die Reichweite von Elektroautos für die Strasse schnell zu, sodass sie zu einer absolut konkurrenzfähigen Alternative zu benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeugen werden. 

Und die Technologien machen beim Auto nicht halt.

SF: Es gab schon immer Schnittstellen zwischen dem Motorsport und der Luft- und Raumfahrtbranche. Das können wir uns in Zukunft auch bei der Formel E vorstellen.

Die Luftfahrtbranche fängt gerade an, über Hybrid-/Elektroflugzeuge nachzudenken. Sie sind ein perfektes Anwendungsgebiet für die leichten Elektromotoren und Wechselrichter mit hoher Leistungsdichte, die in der Formel E entwickelt werden. Software und Steuerungssysteme sind ein weiterer Bereich der Formel E, in dem es viele Innovationen gibt, die die Connected-Mobility-Lösungen der Zukunft insgesamt voranbringen werden.

Und dann sind da noch die intelligente Elektromobilität, bei der es zum Beispiel um Fortschritte bei den erneuerbaren Energien, Connected Cars und dem autonomen Fahren geht, und Smart Cities. Durch die Kombination all dieser Arbeitsbereiche werden intelligente und integrierte Transportsysteme entstehen, die das Leben der Menschen enorm verbessern werden.