Wiederverwertbarkeit als Konstruktionsprinzip

Die Wiederverwertung wird zu einem immer wichtigeren Bestandteil des Produktzyklus. Und langsam lernen Hersteller, wie sie das Recycling erleichtern können.

In Asien wird alten Dell-Computern neues Leben eingehaucht – oder zumindest Teilen davon. Dell sammelt eigene und von anderen Anbietern gefertigte elektronische Geräte in Texas, zerlegt sie in ihre Einzelteile und schickt diese auf die Reise zu Verarbeitungsbetrieben und Bauteileherstellern in China.

Der Kunststoff wird geschreddert, eingeschmolzen und mit neuem Kunststoff vermischt. Das Ergebnis ist ein zu 35 Prozent recyceltes Material, das zur Herstellung neuer Bauteile genutzt wird. Diese werden dann zurück zum Dell-Werk transportiert, wo neue Computer daraus entstehen.

Für Dell ist dieses Vorgehen aus wirtschaftlicher Sicht ausgesprochen attraktiv. Denn Kunststoffe, die in einem solchen geschlossenen Kreislauf wiederverwertet werden, kosten 10 Prozent weniger als herkömmliche Recyclingkunststoffe.

Das liegt zum Teil daran, dass Dell einige der erforderlichen Aufgaben selbst übernimmt – das Sammeln der Teile und die persönliche Auswahl der Unternehmen, die mit der Wiederverwertung beauftragt werden.

Der Hauptgrund für die Wirtschaftlichkeit des Prozesses liegt jedoch in der Art und Weise, wie er überhaupt entwickelt wurde.

Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Teile eines Produkts recycelt werden, ist es entscheidend, die Wiederverwertbarkeit bereits in der Entwicklungsphase zu berücksichtigen.

Ausschlaggebend ist, dass der Prozess nicht etwa in den Werkshallen, sondern an den Reissbrettern des Computergiganten seinen Anfang genommen hat. Bei Dell ist Recycling Teil des Designs: Von Beginn an entwickelt das Unternehmen seine Produkte so, dass möglichst viele der verwendeten Teile auf möglichst effiziente Weise wiederverwertet werden können.

Scott O’Connell, Direktor für Umweltangelegenheiten bei Dell, erklärt: „Wir bieten ein Rücknahmeprogramm an – wir nehmen alle Marken zurück, nicht nur Dell, sondern gebrauchte elektronische Geräte aller Marken, und aus diesen entfernen wir dann die Kunststoffteile und stecken sie in neue Dell-Produkte.“

Und Dell ist nicht allein. Immer mehr Firmen verfolgen einen ähnlichen Ansatz, und nahezu jedes Produkt könnte so überarbeitet werden, dass es später leichter zu recyceln ist.

Kleine Schritte

Das Problem der meisten Unternehmen ist, dass viele der Güter, die die Gesellschaft als selbstverständlich betrachtet, schwierig zu recyceln sind.

Noch vor wenigen Jahrzehnten bedeutete die Fertigung langlebiger Produkte, dass die Materialien „so fest miteinander verbunden wurden, dass es während des Recyclings kaum möglich war, zum Beispiel zwei Metalle oder ein Metall und einen Kunststoff wieder voneinander zu trennen“, so David Wagger, wissenschaftlicher Leiter am Institute of Scrap Recycling Industries.

Und selbst wenn es technisch machbar ist, ein Produkt zu zerlegen und seine Einzelteile zu recyceln, heisst das noch lange nicht, dass es auch wirtschaftlich sinnvoll ist.

„Wenn der Materialwert nicht höher ist als die Kosten des Sammelns und Verarbeitens des Produkts“, sagt Wagner, „dann ist das Recyclingsystem einfach nicht wirtschaftlich.“ So lässt sich erklären, warum die Recyclingquoten von Kunststoff zurzeit so niedrig sind. 2014 recycelten die USA lediglich 10 Prozent ihrer Kunststoffe, die Europäische Union 30 Prozent.

Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Teile eines Produkts recycelt werden, ist es entscheidend, die Wiederverwertbarkeit bereits in der Entwicklungsphase zu berücksichtigen. Schon ein paar einfache Massnahmen können einen grossen Unterschied machen – zum Beispiel PET zu nutzen, wo immer dies möglich ist; Teile zu kennzeichnen, die recycelt werden können; sie so zu gestalten, dass sie leicht demontiert werden können, d. h. so wenig Klebstoffe wie möglich zu verwenden und keine unüblichen Befestigungslösungen zu wählen, die Spezialwerkzeuge erfordern; und Anleitungen oder sogar Videos zu erstellen, in denen gezeigt wird, wie ein Produkt für die Wiederverwertung zerlegt werden kann.

Dells Beispiel folgen im Bereich der Verbraucherelektronik Unternehmen wie LG Electronics. Nachdem Investoren und Verbraucher darauf gepocht hatten, der Umweltverschmutzung ein Ende zu setzen, zu der es infolge des gewaltsamen Zerlegens von Bauteilen kommt, die gefährliche Chemikalien wie hirnschädigendes Blei sowie krebserregendes Cadmium und polychlorierte Biphenyle enthalten, beschloss LG, zum Reissbrett zurückzukehren.

Das Unternehmen verfolgt bei der Herstellung seiner HD-Fernseher nun einen recyclingfreundlicheren Ansatz und steigt auf quecksilberfreie Displays um, verwendet recycelte und recyclingfähige Kunststoffe, meidet Polyvinylchlorid und bromierte Flammschutzmittel und setzt auf kleinere und leichtere Verpackungen.

Doch manchmal ist es nicht einmal genug, leicht wiederverwertbare Materialien einzusetzen. Ingenieure von Nestlé Waters achten bei der Entwicklung neuer Kunststoff-Wasserflaschen beispielsweise darauf, keine Zusätze zu verwenden, die die Qualität des PET herabsetzen – wie etwa Polyvinylchlorid, das manche andere Hersteller hinzufügen – um sicherzustellen, dass die Flaschen leichter wiederverwertet werden können.

Der steinige Weg zum Erfolg

Manchmal liegt die Lösung direkt zu unseren Füssen. Und zwar wortwörtlich. Zum Beispiel müssen Strassen früher oder später ersetzt werden – ganz egal, für welche Lebensdauer sie die Strassenbauingenieure konstruieren. Ein Hindernis bei der Wiederverwertung alter Strassenbeläge sind Armierungsgitter, die häufig zusammen mit der Asphaltdecke ausgebracht werden, um die Oberfläche widerstandsfähiger zu machen – ähnlich wie Bewehrungsstahl in Stahlbeton. Leider können sich diese Gitter in den Asphaltfräsen verfangen. Um dieses Problem zu lösen, hat Owens Corning ein Gitter entwickelt, dass den Strassenbelag stützt, gleichzeitig aber in kleine Stücke zerfällt, wenn es an die Wiederverwertung geht.

Bei der Frage, bei welchen Produkten die Recyclingfähigkeit noch verbessert werden kann, kommen Kunststoffe und Elektronikartikel sofort in den Sinn. Textilien werden dagegen häufig vergessen, und das, obwohl sie eine der grössten Abfallquellen überhaupt darstellen. Circle Market, eine Online-Handelsplattform für Textilien, standardisiert aktuell seine Textilienklassen und seine Terminologie, um die Wiederverwertung von Textilien einfacher und effizienter zu machen.

Ioniqa aus den Niederlanden wiederum hat spezielle magnetische Flüssigkeiten entwickelt, die in der Lage sind, Farbstoffe aus gefärbtem PET zu entfernen und abzuscheiden. Als Endprodukt entsteht recyceltes, farbloses PET, das wie neuer Kunststoff eingesetzt werden kann.

In Zukunft könnte sowohl für die Rückgewinnung als auch für die Wiederverwertung von Materialien deutlich weniger Energie nötig sein.

Und ein Start-up aus London hat eine innovative Lösung für ein grosses ökologisches Problem entwickelt: Wasserflaschen aus Kunststoff. Jedes Jahr landet eine Milliarde davon in den Weltmeeren, nachdem bei ihrer Herstellung 300 Millionen Kilogramm CO2 produziert wurden. In Kooperation mit Wissenschaftlern des Imperial College London hat Skipping Rocks Lab essbare und biologisch abbaubare Verpackungen entwickelt, die für jede beliebige Art von Getränken genutzt werden können – Wasser, Saft, sogar Spirituosen. Das rechtlich geschützte Material wird aus Seetang hergestellt, und seine Produktion ist günstiger als die von Kunststoff.

Zwar stehen der Wiederverwertung bei manchen Materialien noch Hindernisse im Wege, aller Voraussicht nach wird sich aber auch das noch ändern. „In Zukunft könnte sowohl für die Rückgewinnung als auch für die Wiederverwertung von Materialien deutlich weniger Energie nötig sein, und auch die CO2-Bilanz insgesamt wird wohl sinken“, sagte Wagger. „Im Gegenzug wird die Nachhaltigkeit der Wirtschaft steigen.“

Alle Unternehmen könnten letzten Endes gezwungen sein, dem Beispiel von Dell zu folgen und nicht zuletzt den Abbau von Rohstoffen einzuschränken. Wenn dieser Tag gekommen ist, könnten sich die Unternehmen, die bereits seit Langem mit Recyclingmaterialien arbeiten und wiederverwertbare Produkte herstellen, in einer besseren Wettbewerbsposition wiederfinden als ihre weniger nachhaltig handelnden Konkurrenten.

Letztlich muss es wirtschaftlich rentabel sein, Produkte von vornherein auf ihre Wiederverwertung auszurichten. Unternehmen wie Dell mit seinem Kreislaufsystem sparen bereits heute Geld. Weitere werden sicher folgen.